Rezension

Spiegelbild für die Buchbranche

Yellowface -

Yellowface
von Rebecca F. Kuang

Bewertet mit 4.5 Sternen

Schon seit ihrer Kindheit träumt June Hayward davon, eine große Schriftstellerin zu werden. Deshalb studierte sie auch Literaturwissenschaften in Yale. Hier lernte sie auch Athena Liu kennen, doch während Junes Debütroman floppt, wird Athenas Debüt gleich ein Riesenerfolg. Nun soll eines ihrer Bücher sogar verfilmt werden und um das zu feiern, lädt Athen June ein. June verkneift sich allen Neid und begleitet Athena später sogar mit nach Hause. Doch hier geschieht ein Unfall, bei dem Athena stirbt. Trotz ihrer Panik bemerkt June allerdings eins, nämlich Athenas neues, noch unveröffentlichtes Manuskript. June nimmt dieses an sich, überarbeitet es und gibt es als ihr eigenes aus.
Mit The Poppy Wars hat sich Autorin Rebecca F. Kuang damals tief in mein Herz geschrieben und auch wenn Babel nicht ganz meine Geschichte war, so war ich nach all dem Hype rund um Yellowface doch wieder neugierig auf die Geschichte. Ohne Frage, Kuang kann erzählen und mit Worten umgehen und sie schafft es hier mal klar und direkt ihre Kritiken hervorzubringen, mal ein wenig versteckt, doch tatsächlich fühlte ich mich mit ihrer Erzählung mitten in die aktuelle Situation der Buchszene im Social Media versetzt.
Es geht darum, wer was sagen bzw schreiben darf, z. B. darf eine weiße Heterofrau eine Geschichte wie die letzte Front, die ursprünglich ja von Athena geschrieben wurde, überhaupt erzählen? Denn die letzte Front handelt von chinesischen Arbeitern und deren Taten im ersten Weltkrieg und Athena war chinesisch-amerikanisch. Da ist dann kein own Voice mehr vorhanden, wenn jemand wie June diese Geschichte erzählt. Zum Glück heißt June aber mit vollem Namen Juniper Song Hayward, da kann man wunderbar Juniper Song draus machen und schon klingt es nicht mehr nach einer weißen Frau. Auch sonst spricht sie hier Themen an, die mir selber immer häufiger auffallen, nämlich wer darf wann was schreiben? Das fand ich wirklich großartig gelungen, denn damit trifft Kuang den Nagel auf den Kopf. Viele Kommentare aus Social Media, die sie anspricht oder allgemeine Reaktionen fühlten sich nicht nur wie aus dem Leben gegriffen an, sondern waren es auch. Respekt und Höflichkeit, sich gegenseitig akzeptieren und auch mal zuhören, all das würde ein Zusammenleben so viel leichter machen. Mir schwirren auf jeden Fall tausende Gedanken dazu durch den Kopf. Ob Verlagswesen, Rezensenten, Blogger, Social Media etc., so ziemlich jeder und alles bekommt hier sein Fett weg.
Mein Manko an dem Ganzen, bzw. sind es gleich zwei Dinge, die mir nicht so gefallen haben, sind die eher etwas langatmige Erzählung über das alles. Es war auf der einen Seite absolut interessant, hoch aktuell und wirklich völlig authentisch, auf der anderen Seite zog es sich aber und ich habe häufig Pausen eingelegt beim Lesen, weil es mir einfach alles zu viel wurde. Klar, in all dem stecken jetzt nicht unzählige Möglichkeiten für mehr Tempo und es hat mich jetzt auch nicht gelangweilt, aber es war einfach wirklich viel, auch zum Nachdenken.
Der zweite Part ist die Protagonistin June, denn diese war mir in keinster Weise sympathisch. Zu Beginn von Neid zerfressen, im Grunde nur mit Schuldgefühlen behaftet, wenn sie kurz vorm Auffliegen stand und einfach furchtbar egoistisch. Mit ihr verbunden fühlte ich mich nicht, aber trotzdem fand ich, dass es Kuang hier wirklich grandios gelungen ist, diese unsympathische Figur zu zeichnen, denn auch das muss man einfach beherrschen. Trotz meiner Abneigung June gegenüber hat die Autorin aber doch eines wieder geschafft, nämlich das sehr realistische Darstellen, wie sehr eine Person in der Öffentlichkeit unter Druck steht.
Übrigens, auch das, was man hier von der verstorbenen Autorin und Nicht-Freundin Athene erfährt, macht auch diese nicht unbedingt sympathisch, so dass ich auch nicht so richtig Mitleid aufbringen konnte. Aber auch das war, meiner Meinung nach, absolut gewollt von der Autorin.
Mein Fazit: Im Grunde genommen hat Rebecca F. Kuang hier ein von der Umsetzung her gigantisches Buch geschrieben, bei dem sie mit ganz viel Ironie und Sarkasmus aufzeigt, was hier in der Buchbranche doch alles verkehrt läuft. Von Plagiaten über Diskussionen rund um Own Voices, sensual Reading, öffentlichen Vorwürfen, Rassismus etc. Kuang hat hier einfach an alles gedacht und ich kann nur sagen: hier bekommen wir selber einen Spiegel vorgehalten und ja, dieser zeigt, dass wohl einfach jeder aus dem Buchbereich mal anfangen sollte, nicht nur immer sich und seine Meinung in den Vordergrund zu stellen, sondern auch einmal anderen Verständnis entgegenzubringen. Regt zum Nachdenken an und wird lange im Kopf nachhallen.