Rezension

Jeder an seinem Platz - eine innovative Zukunftsvision

Die Optimierer - Theresa Hannig

Die Optimierer
von Theresa Hannig

Im Jahr 2050 leben die Menschen der Bundesrepublik Europa (kurz: BEU) in einer sogenannten Optimalwohlökonomie. Im Artikel 2, Absatz 3 des Grundgesetzes ist hier nämlich das Recht des Bürgers bzw. der Bürgerin auf einen Platz in der Gesellschaft festgeschrieben, der seinen oder ihren Fähigkeiten und Neigungen gerecht wird. 

Durch die technische Entwicklung und die Übernahme redundanter Arbeiten durch Roboter ist es nun nämlich möglich, nicht mehr nach dem größten Profit, sondern nach dem größtmöglichen Wohl aller Menschen zu streben. Dafür, dass dies in der Realität umgesetzt werden kann, gibt es ausgebildete Lebensberater, die dafür sorgen, dass jeder Mensch den für ihn oder sie optimalen Beruf ausüben und damit auch dem Staat am meisten nützen kann - das Recht ist somit nämlich auch eine Pflicht, und hat man keine besonderen Fähigkeiten vorzuweisen, geht es eben in die “Kontemplation”, d.h. man scheidet aus der Arbeitswelt aus und kann seinen Hobbys nachgehen.

Samson Freitag ist ein solcher Lebensberater - und das mit großer Leidenschaft. Zu Beginn des Buches hat er es jedoch mit der Beratung einer Frau zu tun, die folgenschwere Konsequenzen hat - nicht nur für sie, sondern auch für ihn. 

Theresa Hannigs Debütroman “Die Optimierer” ist eine unglaublich spannende Zukunftsvision - ob Utopie oder Dystopie ist zunächst nicht besonders eindeutig. Eine Optimalwohlökonomie klingt ja schon mal gar nicht so übel: Roboter erledigen all die lästigen Arbeiten wie den Haushalt, jeder Mensch hat genug Geld, einen für ihn perfekten Arbeitsplatz (oder eben auch gar keinen - und das ist nicht mal schlimm), es gibt keinen Fleischkonsum mehr und mithilfe einer Augenlinse ist es jedem zu jeder Zeit möglich, auf Millionen von Daten zuzugreifen, auf technische Geräte zuzugreifen oder Zugang zum eigenen Auto oder zur Wohnung zu bekommen - sozusagen ein Computer und Schlüsselkarte in einem.

Aber je mehr man über die Welt erfährt, in der Samson so fröhlich lebt und mit Begeisterung seinem Job nachgeht, desto düsterer wird sie. So hat zum Beispiel jeder Mensch ein Sozialpunktekonto. Wer sich nicht an die Spielregeln hält, muss mit Konsequenzen rechnen - erst Stigmatisierung, dann Abschiebung, dann…? An jeder Straßenecke stehen Roboter, die kaum von echten Menschen zu unterscheiden sind, und ein wachsames Auge auf alles haben, was um sie herum passiert, während die Menschen zumeist so beschäftigt mit ihrer fortschrittlichen Technologie sind, dass sie von ihrer Umwelt kaum noch etwas mitbekommen. Es ist das perfekte System. Bis es einen fallen lässt.

All das ist unglaublich spannend und intelligent erzählt. Samson Freitag ist der perfekte Protagonist, seine Liebe zum System ist aus den bereits genannten Gründen zuerst irgendwie verständlich, wirkt aber auch wie ein riesiges Warnschild auf den Leser bzw. die Leserin. Man will ihn schon an den Schultern packen und aus dieser Trance wachrütteln, die ihn all die fragwürdigen neuen Normen und Werte so unhinterfragt übernehmen lässt. Die Bedenken seine Freundin oder seiner Eltern nimmt er gar nicht wahr, durchgängig spürt man, wie einsam ihn das in Wirklichkeit macht. Man selbst fühlt sich fast von den Nebenfiguren abgekapselt, indem man in Samsons Rolle schlüpft. Bis auch er endlich anfängt, den Status quo anzuzweifeln und selbst nachzufragen. 

Theresa Hannig bringt in diesem Roman zum Grübeln, aber spickt die Geschichte mit viel Humor. Eine ungewöhnliche Mischung für einen Science Fiction-Roman, aber meines Erachtens von Anfang bis Ende perfekt umgesetzt. Eine emotionale Achterbahn, die einen fesselt, erschreckt und nachdenklich macht. Für mich definitiv eine der besten Neuentdeckungen der letzten Zeit, nicht nur aufgrund der spannenden und innovativen Zukunftsvision, sondern auch seiner Umsetzung. Hannigs klarer und trotzdem humorvoller Schreibstil gefällt mir unglaublich gut und ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung.