Rezension

Jim Crow Gesetze trifft auf perlenbestickte Kleidersäume - vier selbstbewusste junge Frauen auf der Suche nach ihrem Weg und zu sich selbst im Chicago von 1910

Die Davenports – Liebe und andere Vorfälle -

Die Davenports – Liebe und andere Vorfälle
von Krystal Marquis

Bewertet mit 4 Sternen

1910: Eine Welt aus Glanz und Ballräumen inmitten von Diskriminierung und Rassentrennung - im Mittelpunkt vier selbstbewusste junge Frauen

Vier junge Frauen, vier Geschichten, jede für sich eine Geschichte vom Erwachsenwerden, Emanzipation, der Rolle als Frau und natürlich der Liebe. Das ist Die Davenports! Und gleichzeitig ist der Roman, der als Jugendliteratur firmiert, so viel mehr. Eingebettet hat Krystal Marquis das unterhaltsame Liebesreigen in einen historisch bedeutenden Kontext. Chicago 1910, hier versammeln sich erfolgreiche schwarze Unternehmer*innen und haben sich vermeintlich von ihrer Geschichte als Sklaven emanzipiert. Doch der Schein trügt, wie bereits sehr früh im Buch deutlich wird, denn trotz allen Geldes und Erfolgs, begegnen auch die Davenports immer wieder Rassismus. Der lang geführte Kampf gegen die Unterdrückung und für das Ende der Sklaverei droht politisch in neuer Form mit den Jim Crow Gesetzen wieder aufzuflammen, statt weiterem Fortschritt der Gleichstellung droht die Regression.

Jim Crow Gesetze neben perlenbestickten Kleidersäumen. Das ist mutig, und es geht auf! Olivia, Helen, Amy-Rose und Ruby - vier ambitionierte, selbstbewusste Frauen, alle unterschiedlich in ihrer Herkunft, ihren Vorlieben, Talenten und Charakter, und auch ihren Sorgen. Was sie eint ist, dass sie mehr vom Leben wollen, als ihre Eltern, ihre Herkunft/Stand und die Gesellschaft für sie als Frau im Jahr 1910 (als Frauen noch nicht einmal das Wahlrecht hatten) vorgesehen haben. 

Die Geschichte ist in 47 kürzere Kapitel unterteilt, die jeweils einer der vier Protagonistinnen gewidmet sind und uns in ihre Gedankenwelt und Erfahrungen mitnehmen. Wie ein Mosaik setzt sich so die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven zu einem großen Ganzen zusammen. Marquis zeichnet die Charaktere sehr liebevoll und mit großer Sympathie, sodass man kaum umhin kommt, in jeder der vier jungen Frauen ein Stück von sich selbst zu finden, sei es Helens Pragmatismus, Olivias Pflichtbewusstsein und wachsendes politisches Interesse, Amy-Roses Geschäftsbewusstsein und Kampfgeist für ein besseres Leben oder Rubys Warmherzigkeit. 

Ja, es ist durchaus nicht völlig überraschend, wie sich das Liebesreigen entwickeln wird, doch das macht das Buch nicht schlechter, denn es ist gerade der Weg dorthin, der unterhaltsam ist und für jede der jungen Frauen viel mehr als die jeweilige Liebesgeschichte darstellt - Amy-Roses Traum vom eigenen Salon, Helens Passion für Mechanik und Autos, Olivias politisches Bewusstsein und Engagement.

An einigen Stellen ist mir jedoch das Schmachten der Protagonistinnen zu viel und passt auch nicht zu ihrer sonst so selbstbewussten, emanzipierten Haltung. Dass nun jeder offene Hemdknopf und Blick auf die Muskeln eines Mannes, eine Frau dazu bringen soll, alles um sie herum zu vergessen, ist mir persönlich manchmal zu kitschig. 

Der Schreibstil hat noch etwas Luft nach oben und wirkt an einzelnen Stellen etwas gestelzt, was jedoch auch der Übersetzung geschuldet sein kann. Ich hatte ein paar Stellen an denen ich dachte, das würde ich gern im Original lesen, um zu sehen, wie es dort ausgedrückt ist und vielleicht mache ich dies auch noch. 

Sehr gut und informativ finde ich die separate historische Einordnung der Autorin im Anhang des Buches.

Der türkise Einband mit dem gelben Cover sieht sehr wertig aus und macht das Buch auch zu einem schönen Geschenk.

Wer Downton Abbey und Bridgerton mag, wird auch an diesem Buch große Freude haben und auf eine Fortsetzung hoffen. Ein gutes Buch zum Mitfühlen mit kleinen Schwächen, dass im leichten, eingängigen Stil und klug gewählten Setting, wichtige Themen vermittelt und erlebbar macht.