Rezension

Kein leichtes Unterfangen, aber es lohnt sich!

Vor dem Sturm - Jesmyn Ward

Vor dem Sturm
von Jesmyn Ward

Bewertet mit 4 Sternen

Ein leichtes Unterfangen war das Lesen dieses Romans auf jeden Fall nicht, das muss ich ganz ehrlich sagen und ich bin mir immer noch nicht wirklich sicher, wie ich das Buch nun endgültig finden soll.

Klar ist, dass Frau Ward es definitiv beherrscht zu schreiben. Sie schreibt unglaublich poetisch mit zahlreichen Metaphern und anderen sprachlichen Bildern und mehr als einmal musste ich nach einem Satz erstmal überlegen, was sie damit meint. Aber so etwas ist ja nicht unbedingt schlecht, wenn man ein wenig über das Geschriebene eines Autors nachdenkt.

Jetzt gerade denke ich an meine üblichen Kriterien bei meinen Rezensionen oder allgemein bei meinen Bewertungen, nämlich ob das Buch gut ausgearbeitete Charaktere hat, die Handlung toll ausgebaut und Spannung vorhanden ist.

Wenn ich das Buch jetzt danach bewerten würde, würde die Punktevergabe zum Ende hin wahrscheinlich nicht so rosig aussehen.

Denn ich konnte Esch als Protagonistin überhaupt nicht leiden. Natürlich tat sie mir leid, vor allem als sie herausfindet, dass sie schwanger ist und das mit 15, aber ihr Verhalten gegenüber dem Vater des Kindes (wer verrate ich natürlich nicht) hat mich doch sehr genervt. Ich bin im selben Alter wie sie und mit 15 kann man ein gewisses Maß an Verstand schon erwarten. Dennoch macht sie im Laufe der Geschichte eine deutliche Wandlung durch und zum Schluss war sie mir dann doch recht sympathisch.

Von den anderen Charakteren im Buch erfährt nicht allzu viel, abgesehen davon, dass Eschs Vater Alkoholiker ist, aber trotzdem versucht seine Familie vor dem Orkan zu schützen, oder dass Skeetah seine Hündin China über alles liebt und trotzdem mit ihr zu Hundekämpfen geht oder dass Randall Basketballprofi werden will. Das hört sich jetzt erstmal nicht so wenig an, aber irgendwie sind mir Eschs Familienmitglieder nicht wirklich nahe geworden.

Das lag vielleicht aber auch an der Tatsache, dass vieles in "Vor dem Sturm" von der gerade erwähnten Hündin China erzählt wird bzw. von ihr erzählt wird. Wie furchteinflößend sie ist, wie sie ihre Welpen behandelt und so weiter. Zuerst hat mich das ziemlich gestört, aber irgendwann sieht man das dann auch nur als weitere Metapher, zum Beispiel für das Leben....

Wie ich oben auch schon sagte: großartig viel Handlung sucht man auch eher vergebens. Das Buch beschreibt ja auch nur 12 Tage im Leben der Familie und erst in den letzten drei Tagen zieht das Tempo ein wenig an als Orkan Katrina an die Tür klopft.

Das Ende ist dann schließlich offen, traurig und man weiß als Leser nicht, ob es überhaupt Sinn macht positiv zu denken, weil man meint, es ist sowieso vorbei. Ich hätte gerne eine Auflösung gehabt, kann aber auch verstehen, dass es keine gibt, das hätte wahrscheinlich nicht zur Stimmung des Buches gepasst.

Um jetzt zum Fazit zu kommen, kann ich sagen, dass Jesmyn Wards Roman mich zum Ende hin mehr begeistern konnte, da die Protaginistin eine deutliche Wandlung erlebt und außerdem das Tempo der Geschichte ein wenig angezogen wurde. Absolut herrlich ist aber auf jeden Fall die Schreibweise! Wunderbare Sätze, kunstvoll formuliert und aneinander gereiht. 4 von 5 Sternen!