Rezension

Metaphernreiches Familienporträt aus den Südstaaten

Vor dem Sturm - Jesmyn Ward

Vor dem Sturm
von Jesmyn Ward

Bewertet mit 3.5 Sternen

Salvage the bones - Rettet die Knochen, der Originaltitel des Debütromans von Jesmyn Ward, der in den USA den renommierten National Book Adward erhielt, trifft es viel genauer. Und erspart dem Leser vielleicht die ein oder andere Enttäuschung. Denn der Hurrikan Katrina, wir alle haben noch die furchtbaren Bilder seines Wütens 2005 im Kopf, spielt wirklich erst ganz am Schluss des Romans eine größere Rolle. Er dräut eher ganz in Hintergrund, von den meisten Bewohnern des Städtchens Bois Sauvage mehr oder weniger ignoriert. Zu viele Stürme brausen jedes Jahr über diese Gegend, man nagelt die Fenster zu und harrt der Dinge, die da kommen. So macht es auch die Familie Batiste, die unter recht elenden Bedingungen etwas außerhalb des Ortes in einem heruntergekommenen Haus wohnen. Die Mutter ist vor mehr als sieben Jahren bei der Geburt des kleinen Junior gestorben, nun müssen er und seine beiden Brüder und seine Schwester Esch, hier die Ich-Erzählerin, allein mit dem trunksüchtigen Vater zurechtkommen. Alle vermissen die Mutter schmerzlich, am meisten aber wohl die 15jährige Esch, die gerade in einer besonders schweren Situation steckt: Sie ist schwanger, und zwar von dem von ihr vergötterten, sie aber nur sexuell ausnutzenden Manny.

Über zwölf Tage wird nun die Situation der Familie beschrieben, wie Esch mit ihrer Schwangerschaft klarkommt, wie ihre Brüder sich in den Traum einer Basketballkarriere oder in eine extreme Liebe zu einem Kampfhund flüchten. Hart sind die Panzer, die diese Kinder und Jugendlichen um sich aufgebaut haben, hart ist ihr Blick auf die Welt. Trotzdem hält die Familie auch auf großartige Weise zusammen, das wird besonders deutlich in der hochdramatischen Szene während des Sturms, wenn der Bruder seinen geliebten Hund opfert, um seine Schwester vor dem Ertrinken zu retten.

Geschrieben ist das Ganze mit einer ziemlichen Wucht, nicht umsonst zitiert Esch immer wieder die von ihr besonders geliebte blutrünstige Sage von Medea und Jason. Leider verrutschen die Vergleiche und Metaphern hin und wieder, Ungenauigkeiten und Fehler schleichen sich des Öfteren ein. Vielleicht hätte hier auch ein besseres Lektorat oder eine treffendere Übersetzung das ein oder andere ausbügeln können. Außerdem gibt es doch beträchtliche Längen besonders im mittleren Teil. Besonders die ausgiebigen Hundeszenen sind oft ermüdend.

Was in der Autorin steckt, sie ist ja immerhin noch Debütantin, zeigt sich vor allem im letzten Teil, im und nach dem Sturm. Packende Dramatik und berührende Szenen. Auf jeden Falle ein Roman, der aufwühlt und noch lange beschäftigt.