Rezension

Kitschige, aber interessante Fantasy

Meeresflüstern - Patricia Schröder

Meeresflüstern
von Patricia Schröder

Bewertet mit 3.5 Sternen

"Meeresflüstern" von Patricia Schröder ist der erste Band einer Jugendbuch-Trilogie aus dem Bereich Contemporary Fantasy, der auf den ersten Blick durch das wundervoll farbenfrohe Cover mit den aufgesetzten "Salzkristallen" besticht und mir insgesamt auch recht gut gefallen hat.

Inhalt: Nach dem Tod ihres Vaters nimmt die Schülerin Elodie eine halbjährige Auszeit und zieht zu ihrer Großtante auf die britische Kanalinsel Guernsey. Auf den ersten Blick ist das nicht gerade der ideale Ort für Elodie, denn sie leidet an einer stark ausgeprägten Angst vor Wasser, die ihr auf der kleinen Insel immer wieder zu schaffen macht. Elodie findet schnell Freunde, doch eines der Mädchen aus der neuen Clique wird auf rätselhafte Weise ermordet und Elodie hat das ungute Gefühl, dass ihr Auftauchen auf der Insel damit in Verbindung stehen könnte? Außerdem träumt Elodie immer wieder von einem Jungen, der eines Tages tatsächlich erscheint. Er kommt aus dem Meer...

An sich liegt "Meeresflüstern" eine schöne, aber nicht in allen Punkten neue Idee zu Grunde. Eher unsicheres, etwas naives Mädchen, das an einen fremden Ort zieht und sich unsterblich in irgendein übernatürliches (und natürlich auch übernatürlich schönes) Wesen verliebt? Das ist nun wirklich ein altbekanntes Muster. Leider verkörpert Elodie die Rolle des leichtgläubigen Mädchens mit der rosaroten Brille auch nahezu perfekt, was die Ich-Erzählerin zu einem eher anstrengenden, nicht immer glaubwürdigen oder sympathischen Charakter macht. Abgesehen von ihrer Angst vor Wasser bekommt Elodie in diesem ersten Band auch kaum greifbare Charaktereigenschaften mit auf den Weg und bleibt daher eher blass, geht in der Masse der fast ausnahmslos gut aussehenden Jugendlichen auf der Insel fast unter und findet sich und ihre Gefühle, obwohl sie doch die Ich-Erzählerin ist, weit weniger oft thematisiert als zum Beispiel ihre neue Freundin Ruby, die gerade am Anfang häufig im Mittelpunkt der Gespräche steht. Ruby war jedoch für mich einer der weniger interessanten Nebencharaktere und die mehrfache Wiederholung ihrer hervorstechenden Eigenschaft – Aufdringlichkeit – etwas eintönig.

Spannendere Charaktere sind dagegen zum Beispiel Rubys Tourette-kranker Freund und der geheimnisvolle Cyril, der Elodie zu Beginn näher kommt. Hier beginnt dann eine etwas irritierende Konstellation der männlichen Charaktere, denn während sich zwischen Elodie und Cyril in angenehm gemächlichem Tempo eine Beziehung entwickelte, auf deren romantisches Potential man hoffen konnte, die aber auch nicht ohne Schwierigkeiten und somit auch interessant war, wird schnell klar: Der angekündigte Junge aus Elodies Träumen ist Cyril nicht. Stattdessen tritt ein, wovor man sich in solchen Büchern fürchten muss: Kitsch. Gordian, der Junge aus dem Meer, ist Elodies große Liebe – auf den ersten Blick, sofort, ohne, dass man sich kennen gelernt haben müsste. Kurze Trennungen von ihm, diesem unfassbar gut aussehenden Traumtypen, bereiten Elodie unsägliche Qualen. Ihre Gefühle für ihn, lassen sie alles andere vergessen. Nichts gegen ein bisschen Kitsch und eine solche Liebesgeschichte kommt in Jugendbüchern ja auch recht häufig vor, konnte mich aber, da ich zum einen bereits von den weniger überstürzten und damit realistischeren Beziehungsanfängen zwischen Cyril und Elodie abgelenkt war und, zum anderen, bis zum Ende dieses Buches überhaupt keinen Bezug zu Gordian als Charakter hatte, mit ihren aus dem nichts kommenden Gefühle nicht mehr überzeugen.

Neben der kitschigen Liebesgeschichte hat "Meeresflüstern" allerdings auch noch eine spannende Mordserie mit Krimi-Qualitäten und überzeugende Bösewichte zu bieten, die in kurzen Zwischenkapiteln auch immer wieder selbst in Erscheinung treten. Zusammen mit der guten Grundidee hinter den Fantasyelementen hielten besonders diese beiden Aspekte die Handlung spannend und machen das Buch trotz nicht ganz überzeugender Charaktere und einer zu überzogenen Liebe-auf-den-ersten-Blick-Geschichte recht lesenswert. Dazu tragen insbesondere auch der gute Schreibstil der Autorin und das schöne Setting auf den britischen Kanalinseln bei.

Fazit: Nicht ganz neue, aber in einigen Aspekten sehr interessante Idee einer Contemporary Fantasy. Der Verlag empfiehlt „ab 14 Jahren“, was ich aufgrund von Schreibstil und Handlungsverlauf gerechtfertigt finde, auch wenn ich die Liebesgeschichte eher für noch jüngere empfehlen würde, da ihr etwas die Glaubwürdigkeit fehlt. Wer mit Kitsch allerdings kein Problem hat, wird an „Meeresflüstern“ wahrscheinlich seine Freude haben. Ich vergebe 4 Sterne, aufgrund mancher eher blasser Charaktere allerdings mit leichter Tendenz zur 3.