Rezension

Kloppen fahren

Hool
von Philipp Winkler

Bewertet mit 4.5 Sternen

Sie sind ein eingeschworenes Team: Heiko, Kai, Jojo und Ulf. Mit einigen anderen zusammen gehören sie zu den Hooligans der Hannoveraner Fussballmannschaft. Am wichtigsten ist echt ihre Gemeinschaft, nicht einmal die Familie kann da mithalten. Als Typen sind sie schon sehr unterschiedlich. Heiko ist zweimal durchs Abi gerasselt, jobbt bei seinem Onkel in der Mucki-Bude. Kai studiert, Jojo hat endlich eine Beschäftigung als Jugendtrainer und Ulf hat eine Freundin. Und mal wieder geht es ab, ein Treffpunkt wird vereinbart und der Trupp fährt los, um sich mit einem ähnlichen Club zu treffen und dann wird gekloppt, es wird nicht nachgetreten und gewonnen hat die Gruppe, von denen am Ende noch die Meisten stehen.

 

Das ist eine Szene, in der sich möglicherweise nicht viele auskennen. Wenn man jedoch selbst aus einem Landstrich in der Nähe stammt, wirkt die Sprache zwar sehr bodenständig, direkt und auch vertraut. Und mit dem Beginn der Lektüre schleicht sich häufiger der Gedanke ein, kenn ich, und so manches Schmunzeln hebt die Mundwinkel, weil die handelnden Personen ebenso gut Bekannte sein könnten. Je weiter allerdings die Handlung voranschreitet und je besser man Heikos Welt kennenlernt, desto größer wird das Gefühl der Befremdung. Heikos Ursprungsfamilie macht einen ziemlich kaputten Eindruck, die Mutter abgehauen, der Vater ein Säufer, die Schwester versucht die kläglichen Überbleibsel zusammen zu halten und scheitert doch. So wurden Heikos Kumpels zu einer Art Ersatzfamilie und die Fahrten zu den Schlägereien wirken fast wie Familienausflüge. Doch je mehr diese zweite Familie ebenfalls zu zerbrechen droht und die Prügeleien immer brutaler werden, desto weniger ist Heikos festklammern an diesen Dingen zu verstehen. Seine Freunde scheinen sich weiter zu entwickeln, Heiko bleibt zurück. Man möchte ihn schütteln, damit es ihm gelingt, sich endlich den viel beschworenen Ruck zu geben.

 

Je länger man sich mit diesem Debüt von Philipp Winkler beschäftigt, desto mehr wird man hinein gerissen in Heikos Leben, das einem doch nicht gefallen will. Seine Vergangenheit ist Mitleid erregend, fast schon tragisch. Als nachvollziehbar empfindet man, dass er sich seiner Clique zuwendet und in die Hooligan-Szene eintaucht. Schwierig wird es allerdings, wenn man beginnt sich zu wünschen, er möge nicht in seiner Lethargie verharren und sich endlich entschließen, mit seinem Leben voran zu gehen. Die Angebote sind schließlich da. Mit wehem Herzen beschließt man das Buch, denn irgendwie steht Heiko letztlich alleine da und hat tatsächlich alles verloren. Unsicher, wohin sein Weg in führen wird. 

 

Ein aufwühlender Roman, der nicht nett ist, der sich möglicherweise durch erhebliche Authentizität  auszeichnet und damit außerordentlich fesselt.