Rezension

Mehr als Maler und Muse

Madame Picasso - Anne Girard

Madame Picasso
von Anne Girard

Bewertet mit 4 Sternen

Das künstlerisches Mosaik einer großen Liebe.

Anne Girard zeichnet das leidenschaftliche und innige Bild der Beziehung zwischen Pablo Picasso und Marcelle Humbert alias Eva Gouel im Paris und Frankreich kurz vor und während des 1. Weltkrieges. Aus Picassos Kunstwerken aus dieser Zeit, Fotografien und Briefen von Eva hat sie das Mosaik einer wahrhaftig starken Geschichte auf Basis einer großen Liebe zusammengesetzt. In drei Teilen, die das Kennenlernen und die Annäherung des Paares, ihr gemeinsames Leben und der schmerzhafte Erfolg des Malers beschreiben und die jeweils von einem Gedicht des Zeitgenossen Guillaume Apollinaire, das gleichzeitig auf den Inhalt des Romanteils hindeutet, eingeleitet wird, entfaltet die Autorin ihre durch und durch romantische Geschichte.
Die junge Eva, Mädchen aus der Provinz, bricht aus ihrer ländlichen Umgebung und der Strenge des Vaters aus, um ihr Glück im glamourösen Paris zu finden. Dank ihres Talents als Näherin arbeitet sie sich mithilfe von neuen Freunden und ihrer Kreativität zur Kostümbildnerin des berühmten Moulin Rouge hoch. Auf einer Ausstellung trifft sie erstmals auf den bereits bekannten spanischen Maler Picasso, der der jungen Frau ebenso verfällt wie sie ihm. Jedoch ist Pablo in einer Beziehung mit der mondänen Fernande Olivier, schönes und gefährliches Modell und Muse. Während Fernande immer zerstörerischer auf Picasso und ihre Beziehung einwirkt, entwickeln sich bereits starke und leidenschaftliche Bande zwischen Eva und dem Künstler. Picasso entdeckt, dass Eva sowohl sein Leben als auch seine Kunst verändern und stabilisieren wird und verlässt Fernande. Er stellt sich ganz und gar auf Eva ein, die in der Beziehung zu dem bekannten Mann erwachsen wird und als Frau aufblüht. Allerdings setzt Picasso damit die Freundschaften zu seinen zahlreichen Pariser Künstler-Freunden aufs Spiel, die auch Fernande gegenüber loyal sind. Schließlich teilen die Immigranten einen wichtigen Teil ihrer Pariser Vergangenheit miteinander. Als die ersten Anzeichen des Krieges in Frankreich sichtbar werden, wird auch Evas und Pablos Liebe schwer erschüttert. Doch Größe, Verzeihen, Persönlichkeit und Vertrauen sind für die Ewigkeit gemacht, auch wenn diese nicht so aussieht, wie die beiden sie sich zu Beginn ihrer Beziehung vorgestellt hatten.
Die Autorin zeigt einen wilden, leidenschaftlichen, schaffensfrohen Picasso, der Tiere liebt und seine Künstlerfreunde als Kritiker sehr schätzt, der mit dem Tod seiner Schwester und seines besten Freundes und noch viel stärker mit Gott hadert, seinem Vater erst spät seine Verfehlungen verzeihen und ihm für das Anstacheln seines Talentes danken kann. Eva ist die Frau, die ihn mit ihrer eigenen Kreativität und Klugheit erden kann und weit mehr ist, als schmückendes Beiwerk. Ebenso zentral wichtig und ausgeformt sind die zahlreichen Freunde Picassos mit all ihren Eigenheiten und Schwächen, ebenso wie Evas Umfeld im Moulin Rouge. Beginnt die Geschichte mit Eva und lautet der Titel auch Madame Picasso, so rückt Pablo Picasso selbst zur Mitte des Buches immer weiter in den Mittelpunkt der Erzählung. Authentisch wirken die spanischen und französischen kurzen Aussagen in der Geschichte, die den Lesefluss nicht stören sondern charmant anreichern. Zur Orientierung in Paris ist eine Karte des Stadtkerns von 1911 in den Umschlag eingefügt. Der Name Picasso auf dem Cover erinnert an die Signatur des Künstlers, die Dame im blauen Kleid trifft meine Vorstellung von Eva. Ein Buch, dass ich sehr genossen habe.