Rezension

Philosophisch, nachdenklich und anspruchsvoll: so präsentiert sich dieser Briefroman über die Liebe und das Leben!

Hanna und Sebastian - Thomas Klugkist

Hanna und Sebastian
von Thomas Klugkist

Bewertet mit 4 Sternen

Bei diesem interessanten Debüt handelt es sich um einen Briefroman, der aus Briefen, E-Mails und SMS besteht und in vier zeitliche Abschnitte eingeteilt ist. Hanna und Sebastian verbringen gemeinsam schöne Tage in Rom. Danach treibt sie ihre Zuneigung zu langen gefühlsstarken Briefen, sie hoffen so, zueinander zu finden. Doch das Leben hat anderes mit ihnen vor und so bleibt ihnen nur der imaginäre Raum in ihrer gemeinsam geschaffenen Briefwelt. Hier leben sie ihre Liebe und Freundschaft gedanklich aus und vertrauen sich offen ihre Hoffnungen und Wünsche an.

Dieses Buch erforderte ein aufmerksames Lesen und schon einige Konzentration. Es ist keine leichte Kost und auf gar keinen Fall ein einfacher Liebesroman. Man muss sich schon bewusst darauf einlassen und die Sätze einwirken und nachhallen lassen. Das braucht Zeit und Musse und häufiges Nachlesen wird erforderlich. Es gibt Textpassagen, die im Kopf nachhallen, so tief berühren sie.

Die gemeinsame Sprache ist anspruchsvoll und langsam entsteht aus den Briefen das Hintergrundwissen über die Protagonisten. Es war durch diese komplizierte Sprache schwer, die Gefühle zwischen den beiden zu erkennen. Anfangs war noch mehr Leidenschaft im Spiel, später hat man eher gegenseitig Trost, Hoffnung und Rat gesucht. Denn zwischen Hanna und Sebastian gab es kein reales Treffen, die Begegnung blieb immer geistiger Art. Ihre wahren intimen Erlebnisse haben sie mit anderen Partnern und tauschen sich darüber auch aus. Ihre Freundschaft überdauert sozusagen die irrdischen Beziehungen. Wobei man sich fragt, ob diese "Fernbeziehung" nicht doch real viel besser und vor allem eine dauerhafte Partnerschaft geworden wäre.
 
Doch Klugkist führt seine Protagonisten in getrennte Leben, lässt sie wieder schriftlich Kontakt aufnehmen, pausieren und wieder zueinander finden. Ihr
imaginärer Raum ist wie eine Traumwelt, die aber beiden Personen auch Kraft und Beständigkeit in ihrer Freundschaft gibt. Vielleicht hätten sie sich  im persönlichen Gegenüber nicht so offenbahrt, sondern gehemmt und fremd reagiert. Die Liebe besteht in diesem Roman nur in den Köpfen der beiden Briefschreiber.

Die gegenseitigen Anreden möchte ich hier noch lobend erwähnen:
"Meine Hannarettung, Mein ungeduldiger Dulder, Meine Schreibliebe, Mein Nächstmensch, Mein Innigsebastian..."

Auf jeden Fall bringt der Autor hier eine sprachgewaltige Erzählkunst zu Papier, die es an Ausdruck und Dialektik nicht mangeln lässt.

Manche Briefe waren meiner Meinung nach sehr abstrakt und überflüssig und haben den Roman unnötig in die Länge gezogen. Der Mittelteil erschien mir etwas zu lang geraten.
Das Ende hat mir gut gefallen, da es zeigt, wie sich die Protagonisten unterschiedlich entwickelt haben. Jeder geht mit den Problemen seines Lebens unterschiedlich um. Dabei geht es Hanna um Körperlichkeit und Sebastian eher darum, sich seelisch nicht zu verlieren.
Hier will es scheinbar keinem gelingen, Körper und Seele miteinander in Harmonie zu bringen.
 
Dieser Roman ist wirklich einzigartig und sehr komplex. Es ist genau das Richtige für Leser, die die Herausforderung einer anspruchsvollen Lektüre mit philosophischen Anklängen suchen.