Rezension

Platte Komödie am Rande des Tiefgangs

Rückwärtswalzer - Vea Kaiser

Rückwärtswalzer
von Vea Kaiser

Bewertet mit 3 Sternen

Drei alte Tanten und ein Neffe fahren die Leiche von Onkel Willi nach Montenegro, um ihn dort zu beerdigen. Das ist der slapstickhafte Hinweis im Klappentext, bei dem man denkt: Das kann nicht ernst gemeint sein. Eigentlich klingt die Buchbeschreibung interessant und tiefgründig. 
Leider ist das bitterer Ernst. Sie tun es, und zwar mit jeder noch so lächerlichen Konsequenz, die eine Slapstickkomödie erfordert. Da kochen und backen die Tanten was das Zeug hält und stapeln den Reiseproviant im Panda, weil Tanten nun mal kochen und backen und jeden füttern bis zum Platzen. Auch die Grenzbeamten lassen sich mit Tantchens Kuchen bestechen, das ist süß und an Klischeehaftigkeit nicht zu übertreffen. 

Der Anfang des Buches lässt nichts aus und bedient jedes nur denkbare Klischee. Lorenz ist der bornierteste aller erfolglosen Schauspieler, den Kaufsucht und Ignoranz Wohnung und Beziehung kosten. Der Text strotzt vor bemühter Vergleiche, die man humorig finden kann, wenn man möchte. 

Dann gibt es Rückblenden, die in die Jugend der Tanten und Onkels führen und zeigen, dass sie nicht immer Stereotypen waren. Im Gegenteil, wir haben es eigentlich mit originellen Menschen zu tun, jeder eigen auf seine Art, die eine hoch interessante Vergangenheit und eine spannende Familiengeschichte haben. 
Das liest sich beinahe schön, wenn es nicht immer wieder unverständliche Ausreißer in platte Rollenmuster gäbe. Warum sollten drei junge Frauen, jeder ein ganz eigener Typ, sich in der Führerscheinfrage so einig sein: Sie machen ihn nur, wenn man sie dazu zwingt und wenn sie ihn haben, dann fahren sie nicht Auto. Nur weil sie Tanten sind und Tanten nicht Autofahren? Oder vielleicht auch nur, damit der Leser was zu lachen bekommt? Ich finde das nur mäßig komisch. 

Dieses Buch ist unentschieden. Es sollte wohl eine humorvolle Geschichte mit Tiefgang werden, aber der komödiantische Anteil ist sehr oberflächlich geraten, der Witz eher flach. Die Familiengeschichte könnte interessant sein, wird aber zur Nebensache, weil sie nur angekratzt wird und für die Gegenwart keine Relevanz hat. Sie erklärt, warum Willis Leiche nach Montenegro muss, hätte aber auch erklären können, warum die Tanten sind wie sie sind, wären sie nicht im Alter im Klischee gestrandet. Da erstickt der Tiefgang im Kaiserschmarrn, was auch gelegentliche Einschübe zur griechisch-römischen Mythologie nicht wettmachen. 

Wenn man nicht allzu viele Erwartungen an dieses Buch hat, ist es nette Unterhaltung für Zwischendurch, gut lesbar aber kein Mustread. Die allgemeine Begeisterung für dieses Werk kann ich nicht nachvollziehen. 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 18. August 2019 um 14:20

Das ist so schön! Für diese Rezension hat sich die Lektüre gelohnt! Die Stelle mit dem Führerschein hat mich genau so aufgeregt. Und dann noch das Engagement der Hedi für die SpÖ. Es hätte mir besser gefallen, sie wäre Ortsgruppenleiterin geworden!

lesesafari kommentierte am 19. August 2019 um 19:26

Nein, dann wäre es zu sehr "Und keiner bleibt zurück" Rainer Kerndl gewesen. :D

lesesafari kommentierte am 19. August 2019 um 19:24

Stereotype, das ist das Wort, das mir hätte einfallen sollen.

Tanten-Führerschein-Nicht-Fahren ist nicht komisch, das ist wahr. :DD 

wandagreen kommentierte am 19. August 2019 um 19:36

Nicht immer. Meine Tante hat ihren Führerschein mit 50 gemacht und ist auch gefahren.