Rezension

Ruhelos und ungestüm auf der Suche nach Wärme

Briefe an die grüne Fee - Salih Jamal

Briefe an die grüne Fee
von Salih Jamal

Bewertet mit 4 Sternen

Dieses Buch ist ein Leseerlebnis der ganz besonderen Art. Der Protagonist ist nicht einfach nur eine Figur, nein, er ist präsent, in der ganzen ungestümen Kraft eines lebenshungrigen jungen Mannes.

Schon beim Prolog hat mich die Sprachgewaltigkeit gepackt. In zwei sich abwechselnde Zeitebenen sind wir Zeuge seiner Gedanken und seines Tuns. Im Jetzt reflektiert der Ich-Erzähler seine Vergangenheit und den Auslöser seines Vorhabens, von dem Sims, auf dem er sitzt, in die Tiefe zu springen.

Er führt uns zurück in seine Kindheit und in seine Familie, in die er nicht reinpasste, in seine Ausbildung, in seine Drogenerfahrungen und immer wieder in seine Sehnsucht nach dem ganz großen Glück. Er sucht es in Leidenschaften, in Süchten, in Frauen, in der Liebe, im Leben – nur nicht in sich selbst. Bis hin zu seiner letzten Faser versinkt er ins Begehren und gibt sich dem „Ganz oder Garnichts“ hin, verbrennt sich am „Sein und Wollen“.

Weil er sich so sehr sichtbar macht, sich bis ins Innerste entblößt, war er mir oft gegenwärtiger als die Geschichte. Ich wollte ihm, wie einem guten Freund, sagen, dass sein ausschließliches Leben wollen im „Hier und Jetzt“ keine dauerhafte Befriedigung haben wird, weil es nur isolierte Momente sind, auch wenn es die greifbarsten sind, weil in diesen Momenten das alles Verbindende - die Vergangenheit und die Zukunft - nicht existiert. Aber er hat es selbst erkannt, und dass seine Sehnsucht ihn von der Realität forttreibt – und das Leben keinen Plan hat. Seine Erkenntnisse zeigen eine tiefe philosophische Gabe.

Welches Motiv hat dieses Buch? Ist es ein Briefroman, ein Tagebuch oder eine Autobiografie? Vielleicht muss man hier keine Antwort suchen und auch keine Entscheidung treffen, sondern einfach eintauchen in „sein“ Leben, in sein pulsieren, brennen, hungern und fiebern und zwar zu 100 %.

Den Hinweis im Klappentext auf seine vulgäre Sprache kann ich nicht bestätigen. Ich finde sie ausgefeilt und ausdrucksstark und in seinen eingesprenkelten Gedichten findet man eine sanfte Poesie.

Ein außergewöhnliches Erstlingswerk, dem hoffentlich weitere folgen.

Kommentare

Naibenak kommentierte am 12. Dezember 2017 um 13:00

Tolle Rezi! Danke :) Das Buch macht echt neugierig!!! :)