Rezension

schockierend

Gebete für die Vermissten - Jennifer Clement

Gebete für die Vermissten
von Jennifer Clement

Ladydi Garcia Martinez lebt in Guerrero. Die Männer des Dorfes versuchen oftmals, in den USA das große Glück und Geld zu finden, doch nur die wenigsten kehren zurück. So kämpfen die Frauen ums überleben und versuchen ihre Töchter vor all dem bösen zu beschützen. Sie sorgen dafür, dass ihre Töchter so hässlich wie irgendwie möglich wirken, so dass keiner auf die idee kommt, sie zu entführen. Denn entführt wird dort jedes Mädchen, das hübsch ist.. und wer entführt schon ein hässliches Mädchen?

Die ganze Story wirkt oftmals so skurril, dass man an der Glaubhaftigkeit zweifeln könnte. Doch ich kann mir widerum gut vorstellen, dass es in Mexiko heiß hergeht und so manch Armut herrscht. Laut Internet wird jede fünfte Entführung in Mexiko begangen, was wohl dafür spricht, dass solche Zustände dort, in solch abgelegenen Orten, wirklich herrschen können. Diese Zweifel plagten mich die ganze Zeit, denn auf der einen Seite kann man sich kaum vorstellen, dass so etwas in Wirklichkeit passiert und auf der anderen Seite denke ich mir, dass überall auf der Welt schlimmes passiert und es immer besonders schlimme Gegenden gibt.

Beschrieben wird z.B, dass die Mütter für ihre Töchter Löcher buddeln, damit diese sich verstecken können, sobald die schwarzen SUVs auftauchen um nach hübschen Mädchen Ausschau zu halten. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen! Mich hat es wirklich schockiert. Wir wachsen hier in Deutschland ja wirklich sehr behütet auf bzw. hier passiert einfach nicht so enorm viel. Alles ist aus Ladydis Sicht geschrieben, sie springt viel hin und her, je nachdem wie es ihr sozusagen einfällt, so dass ich mich oftmals ins kalte Wasser geschubst fühlte. Dennoch war der Schreibstil so mitreißend und packend, dass ich fast nicht mehr aufhören konnte zu lesen, trotz des unglaublich unangenehmen Themas. Ich finde, dass Jennifer Clement genau die richtige Mischung aus Dramatik und Gleichgültigkeit geschaffen hat, so dass man sich vorstellen kann, wie normal dass alles für Ladydi sein muss, obwohl man selbst ja total geschockt ist. Es kommt zum Beispiel öfters vor, dass Flugzeuge eine Chemikalie über das Dorf werfen, welche eigentlich für Drogenplantagen gedacht sind. Doch weil die Piloten einfach zu viel Angst vor der Mafia haben, und dennoch ihren Auftrag befolgen müssen, schütten sie das ganze Zeug einfach über das recht nahe gelegene Guerrero, weshalb viele Einwohner Probleme haben. Das Zeug ist einfach hochgiftig. Normalerweise verstecken sich dann alle schnell in ihren Häusern, doch eine Freundin von Ladydi hat es nicht rechtzeitig geschafft und hat das ganze Zeug abbekommen. Der Schreibstil vermittelt die ganze Sache so trocken und gleichzeitig mitreißen, dass mir beinahe die Worte zum beschrieben fehlen. Die Story berührt einen sehr und auf eine ganz eigene Weise, man verspürt Scham, wenn man mal wieder über irgendwelche dritte Welt Probleme jammert und fühlt sich hilflos, da man alleine nicht viel ändern kann. Gleichzeitig hinterlässt einen das Buch sprachlos, man weiß nicht, was Fiktion und was Realität ist. Klar, die Story selbst ist nicht echt, aber wie oft passiert genau das wirklich?

Die Homepage des Verlages ist im Übrigen unbedingt einen Blick wert, dort gibt es noch einige Hintergrundinformationen.

Ein schockierendes Buch, welches einen mal wieder so richtig wachrüttelt. Von mir eine uneingeschränkte Kaufempfehlung!