Rezension

Tolle, stimmungsvolle Geschichte eines Musikers in der ersten Hälfte des 20.Jh.

Das letzte Land - Svenja Leiber

Das letzte Land
von Svenja Leiber

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ruven Preuk, jüngster Sohn eines Stellmachers, wächst Anfang des 20.Jahrhunderts in der Nähe von Hamburg auf dem Lande auf. Schon früh entdeckt er eine besondere Verbindung zur Musik und beginnt das Geigen. Ganz hingerissen und leidenschaftlich übt er das Geige-Spielen, wird immer besser und dadurch zu einem Außenseiter im Dorf. Von den meisten wird er bewundert und anerkannt, aber es gibt auch die Neider, die mit seiner eigenartigen Musik und seiner Beliebtheit nichts anfangen können. Der erste Weltkrieg bricht aus - Ruvens Vater und älterer Bruder müssen weg. Später dann, im 2. Weltkrieg muss auch Ruven an die Front. In der Zwischenzeit geschehen zu Hause Dinge, von denen Ruven besser nichts erfahren soll. Er ist ohnehin schon ein trauriger Geist... Mit der Musik zieht er sich mehr und mehr zurück, wird immer verschlossener, als er merkt, dass es keine große Karriere für ihn geben kann. Die Musik – und nur sie – vermag es, ihm Trost zu spenden.

Was für ein beeindruckender Roman! Svenja Leiber beschreibt die tragische Geschichte des Ruven Preuk in diesen geschichtsträchtigen, grausamen Jahren in einer sehr speziellen Art und Weise: ihre Sprache ist etwas Besonderes. Anfangs kommt sie einem etwas „stelzig“ und „sperrig“ vor, doch mit der Zeit kommt Gewöhnung und man merkt immer mehr, wie sehr diese Sprache den Charakter des Romans bestimmt und unterstreicht. Ich stelle mir vor, dass die Autorin mit ihren oft recht knappen Sätzen die wortkargen Bauern und das recht harte Leben auf dem Lande in der damaligen Zeit einfängt und ich kann mich dadurch sehr gut dort hineinversetzen. Auch Ruven ist wortkarg. Als er später in die Stadt geht, erschlagen ihn die ewigen, stundenlangen Schwafeleien über unwichtige Themen. Es ist nicht sein Leben, aber von irgendwas MUSS er leben. Diese Stimmung, diese Zerrissenheit Ruvens, fängt Svenja Leiber großartig ein. Dabei werden die Geschehnisse der Kriege eher beiläufig erwähnt.

Hier und da kommt es in der Mitte des Romans auch zu kleineren Längen. Manchmal habe ich einen Satz zwei-, dreimal lesen müssen, um ihn zu verstehen. Oder aber aufgrund von Sprüngen in Zeit und Ort nicht sofort gewusst, wo ich mich befinde. Dies alles sind aber nur kleine Mäkeleien. Das Gesamtbild ist rund und hat mich sehr beeindruckt.

Fazit: Ein extrem stimmungsvoller Roman über einen Musiker vom Lande und sein schwieriges Leben mit der Musik und den Menschen zur Zeit der Weltkriege und danach. Durch die recht anspruchsvolle, aber geniale Sprache nichts für zwischendurch. Wenn man sich Zeit nimmt und sich auf dieses Buch voll und ganz einlässt, ist es ein Genuss… allerdings ein eher schwermütiger. Für den einen oder anderen sicher sehr empfehlenswert :-) Für jeden aber wahrscheinlich nicht ;-)