Rezension

Überraschend gut. Toller Zombieroman

Lost Land - Jonathan Maberry

Lost Land - Die erste Nacht
von Jonathan Maberry

Bewertet mit 4.5 Sternen

Es gab eine Zeit, in der ich gerne Zombiefilme geguckt habe. Ansehen mag ich das nicht mehr, aber darüber zu lesen, finde ich spannend. Vor einiger Zeit hatte ich es mal mit “Der Wald der tausend Augen” versucht, was mich aber nicht vom Hocker gehauen hat. Der Klappentext zu Lost Land hat mich sehr neugierig gemacht. Außerdem reizte mich die Brudergeschichte. Ich brauchte mal was, wo eine Liebesgeschichte nicht in den Vordergrund drängt.

Erster Satz: Weil Benny Imura es in keinem Job lange aushielt, verlegte er sich aufs töten.

Benny Imura lebt in Mountainside, einer Enklave umringt von Zäunen, die die Menschen vor den Zombies schützen. Niemand weiß genau, was in der “ersten Nacht” passierte. Der fünfzehnjährige Teenager hat nur noch eine Erinnerung: Von seinem Bruder Tom gepackt und weggetragen, sieht er wie sein zum Zombie mutierter Vater seine Mutter angreift. Seither ist sein älterer Bruder in Bennys Augen ein Feigling, der die Eltern im Stich gelassen hat.
Es ist der Sommer in dem Benny mit 15 volljährig wird, und einen Job finden muss. Nach einigen Versuchen muss er doch in das “Familienunternehmen” einsteigen und Lehrling seines Bruders werden. Tom ist angesehener Zombiejäger. Überrascht und geschockt, wie Tom arbeitet, verändert sich Bennys Zombiebild. Aber nicht nur das, auch Tom rückt in ein anderes Licht. Benny muss feststellen, dass sein Bruder ganz und gar nicht gefühllos ist. Durch die gemeinsame Arbeit gerät Benny jedoch in einen alten Streit. Toms Ideale treffen nicht auf die der anderen Kopfgeldjäger zu. Das bringt das Bruderpaar in Gefahr. Jemand trachtet ihnen nach dem Leben. Was weiß Tom? Wer hat Bennys Freundin Nix entführt? Was hat es mit dem mysteriösen Mädchen auf einer der Zombiekarten aus sich?

Idee: Zombies sind nichts Neues. Aber sie so zu zeigen, wie es Jonathan Maberry in Lost Land gemacht hat, gekoppelt mit dieser wunderbaren Beziehung zwischen zwei Brüdern, ist eine tolle Idee.

Plot: Das Buch ist in vier Teile Aufgeteilt, die für sich immer einen Abschnitt darstellen mit einem eigenen Einstieg, Höhepunkt und Abschluss. Das hat mir gut gefallen. Zudem weißt es einen Spannungsbogen über die gesamte Länge auf, der eine gut am Lesen hält. Man lernt zuerst die Brüder, insbesondere Benny, kennen. Dann betritt sein Bruder Tom die Bühne und zeigt ihm das “Leichenland”. Das verändert die Beziehung der Brüder. Insgesamt wechseln spannende Szenen mit ruhigen und tiefgründigen Szenen ab. Ein spannender Plot, mit tollen Dialogszenen. Mir ist nur einmal ein kleiner Fehler aufgefallen, aber sonst hat mir der Fortgang der Geschichte gut gefallen. Vor allem der Epilog war super. Fast hätte ich geweint.

Schreibstil: Die ersten Seiten war ich beeindruckt und ich hatte das Gefühl eine amerikanische Filmproduktion zu sehen. Ein frecher Stil, der einen direkt abholt und nach Mountainside direkt hineinzieht. Das flacht etwas ab, aber nicht so sehr, als sei die Geschichte nun langweilig geschrieben. Sicher gibt es markantere, hervorstechendere Stile, aber mir hat es sehr gut gefallen. Jonathan Maberry beschreibt die Szenen sehr gut. Man ist in dem Setting mittendrin.

Charaktere: Benny Imura vollzieht eine starke Entwicklung in der Geschichte.
Am Anfang ist er der Teenager mit ganz alltäglichen Problemen. Dazu die Besonderheit, dass Jugendliche in Mountainside mit 15 volljährig sind und arbeiten müssen, um Nahrung zu bekommen. Das bedingt natürlich eine frühe Auseinandersetzung mit Verantwortung. Benny hat mir gut gefallen. Seine Überzeugungen, die im Laufe der Story von ihm selbst hinterfragt werden. Seine Loyalität gegenüber seinen Freunden. Die Impulsivität seiner Gefühle. Ich nehme ihm sein Alter ab und auch seine Entwicklung ist absolut nachvollziehbar.
Tom Imura, Bennys älterer Bruder ist mir sehr sympathisch. Meiner Meinung nach der eigentliche Held der Geschichte. Der einsame Samurai in diesem amerikanischen Endzeitsetting. Im Gegensatz zu seinem Halbbruder sind bei Tom beide Elternteile Japaner. Er strahlt auch genau diese ruhige Art der Asiaten aus. Der Baum, der in dem großen Sturm keinen Zweig bewegt. Die Schlange, die im richtigen Moment zuschnappt. Viel Gefühl und Tiefe, aber auch Schmerz. Er kannte das Leben vor der ersten Nacht, hatte die Hoffnung auf ein langes erfülltes Leben. Ein einsamer Krieger, der sich so pflichtbewusst und voller Liebe um seinen kleinen Bruder kümmert. Sein Sichtweise auf die Zombies sticht hervor. Er sieht in jedem den Menschen, der er vor der Verwandlung war.
Jeder andere Charakter ist wunderbar ausgearbeitet und hat eine besondere Farbe. Sicher typische Charaktere, die man in Filmen finden kann, aber hier toll zusammengestellt und in keiner Weise langweilig.

Hintergrund: Natürlich fehlt die Erklärung, warum und wieso es zu der ersten Nacht kam und warum alle Toten wieder auferstehen. Komischerweise hat mich das nicht im geringsten gestört. Der Autor hat es geschafft, die Trostlosigkeit gepaart mit dem Überlebenskampf der Menschen den Grund in den Hintergrund rücken zu lassen. Frei nach dem Motto: Ändern kann man es sowieso nicht. Die Beschreibung der Umgebung und der Zombies ist sehr gut, sodass man sich alles sehr bildhaft vorstellen kann. Gerade die ander Sicht der Zombies, diese menschliche Sicht, bringt Maberry sehr gut herüber. Ich hatte sogar Mitleid mit den lebenden Toten.

Fazit: Wow! Das hatte ich nicht erwartet und ich beglückwünsche Thienemann zu diesem guten Buch. Hoffentlich werden die Fortsetzungen auch erscheinen und genau so gut sein. Vor allem auf ein Wiedersehen mit Tom freu ich mich. Wer viele blutige Szenen erwartet, sollte nicht zu viel erwarten. Es gibt blutige, erschütternde Szenen, aber in erster Linie empfand ich es als eine Story, die sich um die beiden Brüder dreht. Wer aufgrund des Klappentextes eine Liebesgeschichte zu finden meint, wird enttäuscht werden. Benny verliebt sich zwar schon, aber das Hauptaugenmerk liegt eben nicht in der Lovestory, die ich nur am Rande wahrgenommen habe. Auf jeden Fall bekommt Lost Land eine Leseempfehlung von mir. Nach diesem Buch werde ich Zombies wohl nie mehr als blutrünstige Monster ansehen können. Herr Maberry hat meine Sichtweise geändert. Auch wenn man sich diesem Genre bisher nicht genähert hat, dürfte man von der Story mitgerissen werden.