Rezension

Ungewöhnliche und authentische Umsetzung einer bekannten Idee

Wenn wir fallen - Jennifer Benkau

Wenn wir fallen
von Jennifer Benkau

Bewertet mit 4 Sternen

Obwohl das Grundprinzip - Bad Boy aus Unterschicht mit verkorkstem Leben trifft auf unscheinbare Protagonistin aus behütetem Zuhause mit Problem in der Vergangenheit - alles andere als neu ist, ist die Umsetzung eher ungewöhnlich. Das liegt vor allem daran, dass auf die übliche Hassliebe in dem Sinne, dass sich beide dauernd an die Kehle gehen, bis irgendjemandem irgendwann mal auffällt, dass das die wahre Liebe ist, nicht existiert.
Louis ist durchaus ein Bad Boy, seine Mutter ist Alkoholikerin, seine Zukunft quasi nicht existent und weil er Geld braucht, ist er in eine Gang geraten. Im Gegensatz zu den meisten seiner Leidensgenossen in anderen Büchern ist er da aber neu und muss sich erst beweisen. Er hat eigentlich keine Freude daran und will niemanden verletzen, würde aber für das Geld alles tun und gerät so eben auf den falschen Weg, auch wenn er vom Charakter her eigentlich alles andere als ein Bad Boy ist - ihn prägen eher die äußeren Umstände. Im Verlauf der Handlung lernt der Leser auch seine süßen Seiten kennen - ich hab ihn lieb gewonnen. Ein weiterer entscheidender Pluspunkt ist, dass er Liz nicht in üblicher überheblich-abwertender Macho-Manier behandelt, sondern freundlich ist, auch wenn er um jeden Preis verhindern will, dass sie ihn verpetzt.

Louis und Liz erzählen abwechselnd die Geschichte, sodass man Einblicke in die Gefühlswelten beider bekommt, allerdings sind die Abschnitte unregelmäßig und nicht weiter gekennzeichnet, sodass ich mich bei jedem neu orientieren musste, wer gerade erzählt. Insgesamt konnte mich das Buch leider erst gegen Ende wirklich fesseln, auch wenn es vorher schon durchaus unterhaltsam war.
Immer mal werden Anglizismen eingebaut, um Jugend- bzw. Umgangssprache zu verdeutlichen (too much, fuck), was für meinen Geschmack gerade richtig abgewogen war, sodass es eben nicht zu viel wurde.

Liz hat das, was eine gute Protagonistin ausmacht: Eine Persönlichkeit. Gut, die typische tragische Vergangenheit findet sich in dem Autounfall vor einigen Jahren, bei dem ihre Eltern starben und seit dem sie bei ihrer Tante lebt. Allerdings hat sie den weitgehend überwunden, sodass sie einigermaßen locker darüber sprechen kann und keine Ängste, Neurosen oder sonst etwas dergleichen hat. Dafür aber Träume von einem Jungen, den sie nicht kennt, bis er vor ihr steht. Das ist auch der einzige fantastische Aspekt, der dem Ganzen eine gewisse Romantik verleiht, auch wenn die Realität auch in der Handlung alles andere als rosig ist. Dennoch wird diese Idee auf faszinierende Weise umgesetzt.
Letztendlich entwickelt sich die Liebesgeschichte aber so, dass die beiden sich langsam näherkommen. Nicht übertrieben langsam, aber eben auch nicht übertrieben schnell, sodass es authentisch wirkte - wie viele Aspekte dieser Geschichte. Einiges ist allerdings schon irgendwie vorhersehbar, aber das verzeihe ich bei Liebesgeschichten gerne.

Zurück zu Liz‘ Persönlichkeit: Sie hat einen Onlineshop, in dem sie selbstgenähte Klamotten verkauft, was mal ein außergewöhnliches Hobby ist und was ich ziemlich cool fand. Auch sonst hat sie einiges, was einen ausgearbeiteten Charakter ausmacht. Und auch Louis hat - neben dem Überfallen - Hobbies - und, na ja, seine süße Seite habe ich ja schon angesprochen. Beide sind somit sehr authentische Charaktere, die im Verlauf der Handlung die obligatorische Entwicklung durchlaufen.
Doch auch die Nebenfiguren mochte ich oft sehr, auch wenn ich der Fokus natürlich eher auf den Hauptpersonen liegt. Auch hier wirken die Beziehungen sehr authentisch, wie aus dem Leben.

Fazit: Eine bekannte Idee wird ungewöhnlich und authentisch mit Protagonisten, die eine Persönlichkeit haben, umgesetzt