Rezension

Verlogene Erwachsenenwelt

Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht -

Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht
von Julia Jost

Bewertet mit 4 Sternen

"Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht" von Julia Jost zieht von der ersten Seite an in den Bann mit seiner ehrlichen und entlarvenden Erzählweise aus Sicht der elfjährigen Erzählerin J., die mit scharfem Blick und entwaffnender Ehrlichkeit ihr Umfeld und deren Probleme betrachtet. J.s Familie wird umziehen, weshalb sie Beobachtungen und Erinnerungen aus ihrer dörflichen Umgebung schildert, in der sie bis dahin aufgewachsen ist.

Auf diese Weise wirft die Erzählerin einen schonungslosen Blick auf die dunklen Seiten der Erwachsenenwelt, in der Affären, grausame Erziehungsmethoden und rechtes Gedankengut die Norm sind. Durch einen anekdotischen Erzählstil werden Leser:innen tief in die Abgründe der menschlichen Natur gezogen, während gleichzeitig, immer wieder auch mit Spott und Ironie, die Heuchelei hinter den konservativen und rechtsextremen Werten der Erwachsenen entlarvt wird. 

Der Roman hat mich dennoch nicht hoffnungslos zurückgelassen - schließlich zeigt er auch Kinder, die keine Lust haben, beim Leben der Erwachsenen mitzumachen. Auch wenn sich die Ich-Erzählerin von ihrer Freundin und Verbündeten Luca wegen des Umzugs verabschieden muss, zeigt die Beziehung zu Luca die Möglichkeit, Freundschaft zu finden und sogar Verliebtheit zu empfinden. So zeigt J., dass es Raum für persönliches Wachstum und Empfindungen jenseits der engen Normen der Erwachsenen gibt, auch wenn sie dafür von der Welt der Erwachsenen immer wieder Bestrafungen ausgesetzt ist.

Der Roman ist eine definitive Empfehlung für Leser:innen von "Krummes Holz", "Kosakenberg" und allen, die gerne Romane zu Identitätsfindung und Sozialisationsprozessen in schwierigen Umgebungen lesen.