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Indiebookday

Indiebook-Tipp #3: Benedict Wells empfiehlt „Vincent"

Am kommenden Samstag wird der „Indiebookday 2014" gefeiert! In Vorbereitung darauf haben wir ausgewählte Personen um Buchempfehlungen aus unabhängigen Verlagen gebeten und präsentieren diese im Rahmen unserer Projekts „Indiebookmonat März".

Nach den Lektüretipps von „Indiebookday"-Erfinder Daniel Beskos (der im Rahmen der Leipziger Buchmesse übrigens mehrfach ausgezeichnet wurde - u.a. Sales Award, BuchMarkt-Award, Preis der Kurt Wolff-Stiftung) und Stefan Weidle, versorgt uns heute Benedict Wells (Autor von „Becks letzter Sommer"„Spinner"„Fast genial") mit (s)einem persönlichen Indiebook-Tipp.

Hätte ich dieses großartige Buch nicht schon längst gelesen, wäre es spätestens jetzt zu meiner aktuellen Lektüre geworden ... viel Spaß beim Lesen! :-)

Benedict Wells empfiehlt:
„Vincent", Joey Goebel (Diogenes Verlag, 2005)

Was haben diese drei Dinge gemeinsam: Alfred Hitchcock gewann nie einen Oscar. Der Erfinder von Tetris verdiente fast nichts mit seiner Idee. Und Joey Goebel ist noch immer nicht ein literarischer Superstar in Amerika, dessen Romane allesamt verfilmt wurden.

Alle drei Beispiele sind extrem ungerecht.

Doch zumindest bei Joey Goebel besteht noch berechtigte Hoffnung, denn er ist jung und er schreibt weiter verdammt gut. Seit ich sein Romandebüt „Vincent“ gelesen habe, bin ich ein Fan. Allein schon die Story: Ein alter Medienmogul liegt im Sterben. Sein ganzes Leben lang produzierte er billigen Mist für die Massen. Nun bereut er und will in einem testamentarischen Akt den Mainstream mit wahrer Kunst unterwandern. Er gründet „New Renaissance“ und ködert junge Genies aus dem ganzen Land. Sie sollen sich mit ihrem Talent die genialen Serien ausdenken, die wir alle sehen werden, oder die großartigen Songs schreiben, die wir unbedingt hören müssen. Natürlich gesungen von jemand anderem, denn es sollen ja weiter die Massen erreicht werden. Vincent ist dabei das genialste Kind von allen. Er wurde aus seiner Problemfamilie herausgekauft, landet auf einer Art Internat und bekommt von Kindesbeinen an einen Mitarbeiter von „New Renaissance“ zur Seite gestellt: Harlan. Dieser soll seine Karriere fördern und als sein Agent fungieren. Gleichzeitig wird Harlan auch zu seinem Vaterersatz. Nur weiß Vincent nicht, dass sein Mentor wie alle Miterbeiter von „New Renaissance“ noch einen weiteren, geheimen Auftrag bekommen hat: stets dafür zu sorgen, dass das junge Genie unglücklich und allein ist. Denn die oberste Maxime des Projekts ist, dass nur ein leidender Künstler ein guter Künstler ist. Seelenschmerz kurbelt die Produktion an, nicht umsonst heißt der Roman im Original: „Torture the artist“. Und so sabotiert Harlan Vincents Freundschaften, tötet Haustiere, vergrault heimlich die Freundinnen des Jungen und sorgt Jahr um Jahr dafür, dass Vincent leidet, sich einsam in die Kunst stürzt und dort tatsächlich Großes vollbringt. Gleichzeitig ist Harlan dadurch die einzige Konstante im Leben seines jungen Schützlings geworden, der weiter nicht ahnt, dass sein Vaterersatz im Nebenjob als dunkler Engel sein Leben zerstört…

Wie turbulent es dann weitergeht, werde ich natürlich nicht verraten. Eine wunderbare Idee, halb Satire, halb Utopie, und vor allem: ein phantastisches, gewitztes, temporeiches Buch, das viele große Fragen stellt und dafür immer interessante Antworten findet. Warum das noch nicht verfilmt wurde, werde ich nie verstehen. Deshalb an alle Filmproduzenten: MACHT EUREN JOB!

Vor einigen Jahren durfte ich Joey Goebel kennenlernen, wir fanden damals schnell heraus, dass wir beide Arcade Fire mögen. Passenderweise musste ich bei dieser Band noch oft an seinen Roman „Vincent“ denken. Denn als die Genies von Arcade Fire mit ihrer Kunst vor kurzem den Mainstream unterwanderten und auf Platz eins landeten, ist das wahrgeworden, was Joey in seinem Roman schon vor langer Zeit prophezeite. Ich kann nur hoffen, dass die Band dabei weniger leiden musste als Vincent, der tragische Held in diesem wirklich berührenden, tollen Buch.

Weitere Buchtipps von Benedict Wells findet ihr hier.

Weitere Linktipps rund um den Indiebookday:
www.indiebookday.de
www.mairisch.de
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Kommentare

Frieda kommentierte am 16. März 2014 um 11:00

Jetzt erinnere ich mich wieder daran, dass ich "Becks letzter Sommer" immer mal lesen wollte. ;) Mein Interesse zu "Vincent" ist jetzt auch geweckt. Also zwei Bücher die direkt mal auf meine Wunschliste wandern. Da heute ein verregneter Sonntag ist, werde ich mir mal die Zeit nehmen, die Indieverlage zu durchstöbern. :) 

marsupij kommentierte am 16. März 2014 um 11:07

Schöner Artikel und klingt nach einer wirklich guten Geschichte.

westeraccum kommentierte am 16. März 2014 um 11:32

Oh, ich freue mich, dass Benedict Wells einen Tipp abgegeben hat, denn wir werden ihn demnächst persönlich kennenlernen. Er liest im Juni bei unserem kleinen Festival im Pferdestall in Sundern-Dörnholthausen.

Und das Buch hört sich extrem gut an, da werde ich es mal auf meine Wunschliste setzen. Bald ist Geburtstag...

nicigirl85 kommentierte am 16. März 2014 um 11:57

Von Benedict liegt bei mir noch "Fast Genial" auf dem SuB, das könnte ich wirklich langsam mal lesen. ;-)

Es ist wirklich interessant, was so alles völlig an einem vorbei geht, denn die Bücher aus Indie- Verlagen sind bei mir absolut gar nicht im Bewusstsein und wenn dann eher nur durch Zufall. Wirklich schade...

Janine2610 kommentierte am 16. März 2014 um 12:50

Die Beschreibung von "Vincent" klingt gut. Und von Benedict Wells lass' ich mir ja gern was empfehlen. ^^ Sein Buch "Fast genial" hat mich sehr begeistert. :-)

progue kommentierte am 16. März 2014 um 13:13

Wobei ich den Diogenes Verlag absolut nicht als Indie einschätzen würde.

Chaostante Karin kommentierte am 16. März 2014 um 18:54

...ich wundere mich auch gerade sehr.

Nichts gegen "Vincent" ich habe das Buch damals gelesen und fand es toll. Aber weniger Indie geht kaum noch...

Torsten Woywod antwortete am 16. März 2014 um 19:20

Naja, doch ... da gäbe es so einige. ;-)
Diogenes ist ganz sicher kein 'Indie' im klassischen Sinne, aber auf der anderen Seite gibt es auch keine allgemeingültigen Kriterien für eine Indie-Zugehörigkeit. Legt man die Definition der Kurt Wolff-Stiftung zugrunde, wäre der Diogenes Verlag eher kein Indie (Rechtsform/Umsatz) - wir finden jedoch, dass Diogenes eine echte Ausnahme darstellt, da er wie ein Indie-Verlag agiert und sich dabei immer treu bleibt (vor zehn Jahren hat man sich z.B. einfach mal geweigert, den Amazon-Rabattvorgaben nachzukommen, so dass es keine Diogenes-Bücher mehr dort gab: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/buchhandel-diogenes-traut-sich-was-gegen-amazon-1161408.html).

progue kommentierte am 16. März 2014 um 22:07

Na ja, das war vor 10 Jahren. Offensichtlich sind sie dann doch eingeknickt, denn jetzt gibt es die Bücher wieder - ohne den Zusatz "in ein bis zwei Tagen", was darauf hinweisen würde, dass es nicht von Amazon aus geht. Wie gesagt, ich mag Diogenes und einige der Bücher, die dieser Verlag rausgebracht hat, aber ich finde, ein Mittelständler hat unter dem Programm "Indie" nichts zu suchen. Just saying.

Sven kommentierte am 17. März 2014 um 11:32

"Indie" ist sehr schwer zu fassen. Ich hab bei Diogenes auch Bauchschmerzen, doch eines sind sie auf jeden Fall: Unabhängig. Und das ist ja eigentlich das was Indie ist.

Die Frage, wie erfolgreich darf ein Indie-Verlag sein um noch Indie zu sein, ist schwierig zu beantworten.

Was ist mit meinem geliebten Liebeskind-Verlag? 

Mir wird hier auch immer etwas anders, wenn von Amazon-Selfpublishern als Indie gesprochen wird, denn die sind ja nun alles andere als unabhängig und Amazon alles andere als ein Indie-Verlag.

Indie ist einfach schwer zu fassen und Diogenes ein Grenzfall, meiner Meinung nach. (Wenn ich böse wäre, könnte ich noch fragen, ob ein Indie-Verlag so etwas wie Coelho im Programm haben darf...)

kommentierte am 16. März 2014 um 13:17

Klingt gut und schreit nach meiner Wunschliste :)

Danke für den Tipp

Belle Morte kommentierte am 16. März 2014 um 14:12

Klingt fies, könnte Spaß machen^^

Fornika kommentierte am 16. März 2014 um 15:28

Das klingt nach einem Buch für mich!

heike_e kommentierte am 16. März 2014 um 15:52

Und schon ist meine Wunschliste um einen Titel länger :) Aber die Beschreibung hört sich wirklich gut an. 

Ouroboros kommentierte am 16. März 2014 um 15:56

Ich hab das Buch bereits vor ein paar Jahren gelesen. Seitdem gehört es zu einem meiner Liebligngsbüchern. Es lohnt sich auf jedenfall zu lesen, und ich empfehle es auch regelmäßig Freunden oder Bekannten weiter ;)

Sonja Fleischer kommentierte am 16. März 2014 um 17:43

"Vincent" gefiel mir sehr, aber richtig ins Schwärmen brachte mich "Ich gegen Osbourne".

http://wasliestdu.de/rezension/joey-goebel-ich-gegen-osborne

Letztes Jahr musste ich dann einfach zur LitCologne gehen, als Joey Goebel dort war und es war ein toller Abend!

Von Benedikt Wells las ich "Becks letzter Sommer" und auch dies Buch ist eine wirkliche Empfehlung.

kommentierte am 17. März 2014 um 02:05

Vincent steht schon seit ein paar Jahren ungelesen bei mir im Regal. Ich hab bisher lediglich Goebels Freaks gelesen, was mir damals gut gefallen hat ... Sollte mich wohl demnächst auch endlich mal an Vincent heranwagen.