Rezension

4,5 Sterne: Informativ, interessant, verständlich, humorvoll - so muss ein Sachbuch sein!

Ein Keim kommt selten allein - Markus Egert, Frank Thadeusz

Ein Keim kommt selten allein
von Markus Egert Frank Thadeusz

~ So muss ein Sachbuch sein! „Ein Keim kommt selten allein“ hat mich auf ganzer Linie überzeugt. Der Schreibstil sehr informativ, zahlreiche Studien und Theorien werden zitiert. Dabei bleibt die Sprache aber stets angenehm und flüssig lesbar, sodass das Lernen hier wirklich Spaß macht. Auch inhaltlich bietet Prof. Dr. Markus Egert eine breite Brandbreite an interessanten Fakten, gibt wertvolle Hygienetipps, räumt mit überholten Mythen auf und zeigt uns, wo die wirklich wilden Keime wohnen. Hierbei kann das Buch immer wieder überraschen und faszinieren, denn die auf jeder Seite spürbare Leidenschaft und Begeisterung des Autors für Mikroben springt beim Lesen schnell über. Zwischendurch wird der Text auf gelungene Weise immer wieder durch kuriose Anekdoten, comicartige Illustrationen und mit viel Humor und Charme aufgelockert. Die Kritikpunkte sind klein und fallen kaum ins Gewicht: Manchmal hätte ich mir bei manchen Aspekten mehr Tiefgang gewünscht, reale Bilder der Keime hätten das Buch noch informativer gemacht und stellenweise hätte ich mir eine geschlechtersensiblere Sprache gewünscht. Insgesamt kann ich euch „Ein Keim kommt selten allein“ jedoch nur wärmstens ans Herz legen – es ist Horrorroman (besonders für Menschen, die sich schnell ekeln), Geschichtsstunde, Biologieunterricht, Hygieneanleitung und Liebesgeschichte in einem. Warum Liebesgeschichte? Ganz einfach, es gibt nämlich zwei, die gehören untrennbar zusammen, können ohne einander nicht leben: Mensch und Mikrobe. ~

Inhalt

Wir alle kennen sie, die Leute, die überallhin ihr Desinfektionsmittel mitnehmen, die einen leidenschaftlichen Krieg gegen Mikroben aller Art führen. Sollen wir sie uns alle zum Vorbild nehmen? Müssen wir bei jedem Atemzug Angst haben, uns etwas Schlimmes einzufangen? Warum viele Keime sogar unsere Freunde sind, warum die Kirche, was Mikroben betrifft, kein gesegneter Ort ist, wo die wirklich wilden Keime wohnen, warum Händewaschen so wichtig und wer diese Margot ist – das alles und noch viel mehr verrät Prof. Dr. Markus Egert, ein führender Forscher auf dem Gebiet der Haushaltshygiene, in diesem Buch mit viel Witz und Charme.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband, Sachbuch
Verlag: Ullstein Extra
Seitenzahl: 256
Tiere im Buch: - Es werden Tierversuche ohne kritischen Kommentar zitiert. Hier auch wieder meine Empfehlung: Wenn ihr ebenfalls gegen sinnlose, oft grausame Tierversuche seid, schaut bitte beim Verein „Ärzte gegen Tierversuche“ vorbei, der schon jahrelang engagiert und teilweise sogar schon erfolgreich für Alternativen und für eine tierversuchsfreie Forschung kämpft.

Warum dieses Buch?

Ganz einfach: Ich bin ein Mensch, der sich ziemlich schnell ekelt. Natürlich musste ich dieses Buch lesen, denn: Ich war bereit, endlich herauszufinden, wo unsere wahren, unsere größten kleinsten Feinde lauern und wie man sich vor ihnen schützen kann.

Meine Meinung

Einstieg (+/-)
Der Einstieg fiel mir nicht ganz so leicht, da die ersten Seiten etwas allgemeiner gehalten sind und ich nicht ganz so schnell vorankam. Doch schon nach den ersten kurzen Kapiteln lernte ich den angenehmen Schreibstil des Buches sehr zu schätzen und habe es dann auch innerhalb von wenigen Tagen ausgelesen.

"Vorträge zur Haushaltshygiene beginne ich gern mit: 'Hallo, mein Name ist Markus Egert und ich untersuche Sachen, von denen die meisten Leute sagen: Das will ich eigentlich alles gar nicht so genau wissen!'" Seite 13

Inhalt & Verständlichkeit (♥)

Auf jeder Seite merkt man Prof. Dr. Markus Egert seine Begeisterung und Leidenschaft für die im Buch ziemlich süß abgebildeten Mikroben an – eine Begeisterung, die beim Lesen schnell überspringt. Jedes Kapitel bietet viele lehrreiche Informationen, immer wieder wird auf die neuesten Studien und Theorien verwiesen – jedoch ist das Buch dabei niemals trocken, sondern, im Gegenteil, sehr unterhaltsam und interessant zu lesen. Hin und wieder gibt es auch Rückblicke in die Vergangenheit oder Ausblicke in eine futuristische Zukunft, in der den Ärzten und Ärztinnen eventuell – wer weiß – nicht mehr unser Bluttest, sondern ein Abstrich unseres Mikrobioms Auskunft über unseren Gesundheitszustand geben könnte. Man merkt, dass der Autor ein absoluter Experte auf seinem Gebiet ist, er kann aus erster Hand über den Alltag in Kosmetiklaboren und seine durchgeführten Forschungen erzählen. Besonders gut hat mir dabei gefallen, dass Markus Egert immer wieder auch ungewöhnliche Wege geht. So wagte er es, einen Ort zu untersuchen, der bis jetzt unerforscht geblieben war: die Weihwasserbecken in der Kirche. Welche Ergebnisse und „dunklen Geheimnisse“ da ans Licht gekommen sind, findet ihr am besten selbst heraus. In „Ein Keim kommt selten allein“ wird jedoch nicht nur über die verschiedensten gefährlichen und uns freundlich gesinnten Mikroben aufgeklärt, sondern es wird auch mit vielen Mythen aufgeräumt. Die LeserInnen erfahren, wo die wirklich gefährlichen Keime lauern und welche Grundregeln bei der Haushaltshygiene sogar Leben retten können. Dabei ist die Bandbreite der besprochenen Aspekte beeindruckend umfangreich und breit gefächert, und das Sachbuch beantwortet mit Sicherheit nicht nur Fragen, die man sich immer schon stellte, sondern führt einem mitunter auch überraschende Aspekte vor Augen, an die man wohl noch nie zuvor gedacht hat.

Kritikpunkte gibt es nur wenige, und diese fallen nicht wirklich ins Gewicht: So fand ich manche Ansichten des Autors etwas antiquiert, beispielsweise gehört für ihn zu einer ausgewogenen, gesunden Ernährung Fleisch, was allerdings nicht stimmt, da auch eine vegetarische oder vegane Ernährung sehr gesund oder sogar gesünder als eine omnivore Kost sein kann (von den Umweltaspekten einmal abgesehen). Hier hätte ich mir von einem Wissenschaftler schon erwartet, dass das erwähnt wird und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt werden. Zudem hätte ich mir manches Mal mehr Tiefgang gewünscht (z. B. beim Thema Toxoplasmose). Obwohl ich verstehe, dass es sich hier um Einführungswerk handelt und obwohl natürlich bei einem Buch gewisse Seitengrenzen existieren, hätte ich bei manchen Aspekten gerne noch viel mehr erfahren (aber das zeigt ja auch, wie gut das Buch geschrieben ist und wie es den Wissensdurst weckt). Ich denke daher, dass das Buch wirklich nur etwas für Laien ist, Menschen, die sich mit dem Thema schon einmal beschäftigt haben, sollten besser zu einem spezifischerer Fachliteratur greifen, auch wenn auch sie mit Sicherheit vom einen oder anderen Fakt noch überrascht werden können. Die comicartigen Illustrationen fand ich charmant und sehr süß, sie lockern das Buch gekonnt auf, allerdings wäre es oft auch interessant gewesen, zu sehen, wie die einzelnen Keime unter dem Mikroskop tatsächlich aussehen.

„Wenn Mikrobiologen den wahren Unterschied zwischen Mikroorganismen, also Einzellern, und höheren, einzelligen Lebewesen erklären wollen, haben sie ein ganz einfaches Unterscheidungskriterium zur Hand: Alles, was man in einen Mixer stecken kann, ohne es zu töten, sind Mikroorganismen. Der Hintergrund: In Mehrzellern haben sich die einzelnen Zellen so spezialisiert, dass sie alleine unter natürlichen Lebensbedingungen nicht mehr lebensfähig sind.“ Seite 16

Schreibstil (♥)

An den Schreibstil musste ich mich erst einmal gewöhnen, vor allem, weil er so informativ und wissenschaftlich in dem Sinne ist, dass er viele Studien und Theorien zitiert (so soll das aber natürlich in Sachbüchern sein!). Nach einigen Seiten jedoch lernte ich die Sprache sehr zu schätzen. Der Autor lockert den Text immer wieder mit interessanten oder kuriosen Anekdoten aus seinem Alltag und mit ganz viel Charme und Humor auf. Ich bin nur so durch das Buch geflogen, und das lag sicher auch am angenehmen, leicht verständlichen, flüssig lesbaren Schreibstil. So müssen Sachbücher geschrieben sein! Die seltenen inhaltlichen Wiederholungen, die manche LeserInnen gestört haben, fand ich sehr praktisch: Vor allem, wenn man das Buch nicht am Stück liest, ist es angenehm, wenn wichtiges Vorwissen in einem späteren Kapitel (wo es gebraucht wird, um den Sachverhalt zu verstehen) wiederholt wird. Kurze Info-Kästen fassen das Wichtigste noch einmal zusammen, so wird auf einen Blick deutlich, worauf es, z. B. im Umgang mit Schwämmen, wirklich ankommt.

„Preisfrage: Um wie viel attraktiver ist die Vorstellung, unter Krätze zu leiden, wenn man weiß, dass auch Napoleon Bonaparte unter der parasitären Hautkrankheit litt?“ Seite 68

Geschlechtergerechte Sprache (+/-)

Im Buch wird zwar häufig auf geschlechtsneutrale Begriffe wie „Menschen“ ausgewichen, jedoch wird an vielen Stellen nicht gegendert. Das finde ich schade, da ich mir in einem modernen Sachbuch schon erwarte, dass Frauen durchgehend nicht nur mitgemeint, sondern auch sichtbar sind. Gestört hat mich auch, dass der Autor immer wieder betont, dass er nicht oft den Putzlappen schwingt. Auf mich wirkte das etwas machohaft. Einmal wird auch geschrieben, dass seine Ehefrau behauptet, Frauen würden öfter das Klo putzen als Männer. Das war mit Sicherheit lustig gemeint, jedoch fördern solche Aussagen nur Geschlechterstereotypen und sind deshalb dringend zu vermeiden!

Mein Fazit

So muss ein Sachbuch sein! „Ein Keim kommt selten allein“ hat mich auf ganzer Linie überzeugt. Der Schreibstil sehr informativ, zahlreiche Studien und Theorien werden zitiert. Dabei bleibt die Sprache aber stets angenehm und flüssig lesbar, sodass das Lernen hier wirklich Spaß macht. Auch inhaltlich bietet Prof. Dr. Markus Egert eine breite Brandbreite an interessanten Fakten, gibt wertvolle Hygienetipps, räumt mit überholten Mythen auf und zeigt uns, wo die wirklich wilden Keime wohnen. Hierbei kann das Buch immer wieder überraschen und faszinieren, denn die auf jeder Seite spürbare Leidenschaft und Begeisterung des Autors für Mikroben springt beim Lesen schnell über. Zwischendurch wird der Text auf gelungene Weise immer wieder durch kuriose Anekdoten, comicartige Illustrationen und mit viel Humor und Charme aufgelockert. Die Kritikpunkte sind klein und fallen kaum ins Gewicht: Manchmal hätte ich mir bei manchen Aspekten mehr Tiefgang gewünscht, reale Bilder der Keime hätten das Buch noch informativer gemacht und stellenweise hätte ich mir eine geschlechtersensiblere Sprache gewünscht. Insgesamt kann ich euch „Ein Keim kommt selten allein“ jedoch nur wärmstens ans Herz legen – es ist Horrorroman (besonders für Menschen, die sich schnell ekeln), Geschichtsstunde, Biologieunterricht, Hygieneanleitung und Liebesgeschichte in einem. Warum Liebesgeschichte? Ganz einfach, es gibt nämlich zwei, die gehören untrennbar zusammen, können ohne einander nicht leben: Mensch und Mikrobe.

Bewertung

Einstieg: 3 Sterne
Inhalt: 4,5 Sterne
Verständlichkeit: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Gendergerechte Sprache: +/-

Insgesamt:

❀❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch erhält von mir viereinhalb überzeugte Lilien!