Rezension

Albrecht Sommerfeldts historische Kriminalromane der frühen Neuzeit sind immer und immer wieder eine literarisch-virtuelle Reise wert!

Von Huren, Bettlern und Glunterschratzen - Albrecht Sommerfeldt

Von Huren, Bettlern und Glunterschratzen
von Albrecht Sommerfeldt

Bewertet mit 5 Sternen

Tagelöhner Johann Gabelschlag geht, sein Leben riskierend, rätselhaften Ereignissen auf den Grund! Sympathisch, spannend und beeindruckend!

Nachdem ich 2022 den historischen Kriminalroman „Der Pesthof“ (Hamburg, 1619) und den Band „Gassengeflüster“ mit vier schwarzen, historischen Geschichten gelesen habe, musste ;-) ich auch „Von Huren, Bettlern und Glunterschratzen“ lesen, denn Albrecht Sommerfeldts Zeitreisen in die Anfänge des 17. Jahrhunderts und u.a. ins Hamburg der damaligen Zeit sind wahrlich faszinierend.

Dieses Buch nun (ent)führt mich ins Hamburg der Jahre 1617 und 1618, spielt also zeitlich vor dem „Pesthof“, was absolut unproblematisch ist, da alle Geschichten in sich abgeschlossen sind. 

Zum Inhalt selbst werde ich nicht viel verraten, denn schließlich kann und sollte jede(r) diese fesselnde Geschichte selbst erlesen und erleben.

Schon vertraut mit dem flüssigen und zur damaligen Zeit wunderbar passenden Schreibstil des Autors, bin ich gleich mittendrin im Geschehen, in den Straßen und schmutzigen Twieten Hamburgs, sehe dank der wunderbaren und historisch genauen Schilderungen des Autors die Behausungen der Bewohner des Armenviertels St. Jakobi vor mir und gehe mit Johann Gabelschlag, seines Zeichens Veteran und Tagelöhner, durch die Stadtviertel Hamburgs, in düstere Kneipen, zum Bader und zu manch anderer Gestalt, deren Beschreibungen so bildhaft sind, dass man meint, sich mitten unter ihnen und sich, genau wie Johann, wiederholt in Gefahr zu befinden. 

Es entspinnt sich eine spannende Geschichte, die mich von Anfang an packt. Ich ermittle gemeinsam mit Johann, denn, ja, es gilt, rätselhafte und teils mysteriöse Vermisstenfälle aufzuklären. Ich leide mit Johann, bange um ihn und kämpfe ;-) an seiner Seite. Figuren, die ich schon im „Pesthof“ kennengelernt habe, begegnen mir hier wieder, so dass ich etwas von ihrer Vorgeschichte erfahre; andere hingegen lerne ich hier kennen, unter ihnen ärmliche Handwerker und windige Händler, am Hungertuch nagende Bettler und bemitleidenswerte Habenichtse, gefährdete Huren und gefährliche Gauner. 

Auch sprachlich ist diese Geschichte (be)merkenswert, denn so manche Gestalt spricht Rotwelsch, eine Art Geheimsprache, durch deren Gebrauch Gesprochenes für Fremde und Angehörige der höheren Schichten möglichst unverständlich sein soll. Keine Sorge, ein Glossar erläutert viele Begriffe, obwohl einige sich schon aus dem Zusammenhang heraus selbst erklären.

Was ich hier lese, fesselt mich, auch wenn die Ereignisse und deren Darstellung immer wieder erschütternd sind, zuweilen sogar erschreckend, aber so war sie wohl, die damalige Zeit, die Gesellschaft und das Leben überhaupt (nicht nur) in Hamburg vor mehr als 400 Jahren.

„Von Huren, Bettlern und Glunterschratzen“ (die Letztgenannten sind die im Rotwelsch so genannten Kinder von Huren) möchte ich ausdrücklich all denen empfehlen, die – ob nun als Kenner oder Genre-Neulinge - eine historische, hervorragend recherchierte, bildhaft geschriebene, fesselnde und spannende Kriminalgeschichte lesen und mit dieser eine auch sprachlich interessante Zeitreise in eine ganz andere Zeit, ich würde fast sagen, in eine noch so ganz andere Welt machen möchten. 

Von mir gibt es – genau wie schon für die anderen, oben genannten Bücher von Albrecht Sommerfeldt - 5 große ;-) histo-kriminalistische Sterne!