Rezension

Anspruchsvolles Buch über das Zusammenleben im Alltag

Der Besuch - Hila Blum

Der Besuch
von Hila Blum

Bewertet mit 3 Sternen

Nati und Nili leben mit den beiden Töchtern Dida und Asia in Israel. Diese sind in den Sommerferien beide eine Zeit lang nicht da. So haben Nati und Nili Zeit zusammen, mal ganz allein. Aber kommen sie auch wieder ohne die dauerhafte Anwesenheit ihrer Kinder zurecht? Spüren sie noch eine Verbundenheit zueinander?

In diesem Sommer kündigt sich zudem ein Besuch an, jemand der ihnen vor Jahren aus einer finanziellen Notlage geholfen hat, als sie, noch frisch verliebt, in Paris waren. Was möchte er von ihnen, nach all den Jahren?

 

Cover:

Auf dem Cover sind viele Tauben. Diese sollen eventuell die Freiheit symbolisieren. Freiheit über seine eigenen Gedanken, oder vielleicht endlich mit jemanden offen reden zu können. Wie die Brieftauben, die als Vermittler zwischen zwei Menschen fungieren.

Das Cover ist durch den weißen Hintergrund sehr schlicht gehalten und ansprechend.

 

Schreibstil:

Der Schreibstil ist schwierig zu beschreiben. Die Autorin Hila Blum, gibt sich nicht mit langweiligen Sätzen ab. Sie sind stattdessen oft ausgeschmückt, detailliert und an anderen Stellen kurz und manchmal fast schon zu prägnant.

Die Geschichte springt zwischen Nilis Vergangenheit und der Gegenwart hin und her. Nicht selten laufen auch ihre Vergangenheitsgedanken nicht chronologisch in einer Reihenfolge ab, was gerade zu Beginn, interessant aber auch sehr anstrengend ist.

Der Sprung durch die Zeit bewirkt, dass man sich diesem vertraut fühlt. Wie oft schweifen wir in unserer Gegenwart immer mal wieder zu verschiedenen vergangenen Szenen unseres Lebens?

Diese Tatsache aber in einem Buch vorzufinden, kann auch ermüdend sein und hemmt den Lesefluss doch das ein oder andere Mal.

 

Charaktere:

Die Figur die man am besten kennen lernt ist Nili. Da man ja immer in ihrem Kopf ist. Sie hat sehr interessante Gedankengänge, diese sind aber leider zu oft durch emotionale Unsicherheit geprägt. Sie stellt ihr Leben und das Zusammenleben mit ihrer Familie, besonders im Hinblick auf ihre Beziehung zu Nati, ständig in Frage und wirkt dadurch sehr unzufrieden. Sie ist auch voll von versteckten Anschuldigungen. Über ihr Leben zu erfahren wirkt daher oft erdrückend und lähmend.

Über ihren Mann, Nati, erfährt man am wenigstens. Gern hätte ich mehr von seiner Perspektive aus, eine Sicht auf die Dinge gehabt.

Nilis Mutter Hanna, ihre Schwester Uma und Asia sind nur Nebenrollen, von denen man dann und wann etwas erfährt, aber aus meiner Sicht noch tiefgehender darauf eingegangen werden könnte. Dida ist eine interessante Persönlichkeit, auch weil sie so seltsame Hobbys hat. Es ist schwierig das Verhältnis zwischen Nili und ihr zu verstehen.

Gerade die Charaktere von Nili und Dida sind sehr gut ausgearbeitet. Auch wenn ich persönlich Nili sehr unsympathisch finde…

Gern hätte ich noch mehr über Uma und ihr Leben erfahren. Auch, ob Nati tatsächlich so gehandelt hat, wie Nili jahrelang vermutete, wird nicht aufgeklärt.

 

Meine Meinung:

„Der Besuch“ ist Hila Blums Erstlingswerk, wobei ich gleich erwähnen muss, dass der Besuch an sich und auch der Klappentext in dem dieser erwähnt wird, doch sehr irreführend sind. Die Geschichte um den Herrn Duclos, also dem französischen Besucher, wird nur zu Beginn und am Ende des Buches aufgeführt. Alles was zwischen diesem Abschnitt liegt, hat fast nichts damit zu tun.

Es geht insgesamt tatsächlich nur um Nilis Leben, und wie sie es erlebt, mit allen Emotionen die dazu gehören.

Wer also wie ich eine aufgeregte Geschichte rund um den Besuch mit Intrigen, spannenden Ansichten und Geheimnissen erwartet hat, ist mit diesem Buch eher schlecht bedient.

Wem hingegen es gefällt, tief in die unterschiedlichen Abgründe und verborgenen Gedanken die über das offensichtliche eines Protagonisten hinausgehen, einzutauchen, der wird seine Freude hieran haben. „Der Besuch“ besticht eher durch Tiefgründigkeit, Unaufgeregtheit und unterschwelliger Spannung und ist somit für anspruchsvolle Leser.

Da ich mich eher zu der ersten Kategorie zähle, konnte ich wohl die wahre Schönheit dieses Buches nur teilweise für mich übernehmen, weshalb es von mir nur als mittelprächtig angesehen wird und wohl schnell vergessen wird. Ich bewerte es mit 3 Sternen.