Rezension

Auf dem Weg zur Straftat

Almost True Crime 1: Wer nicht liebt, muss sterben -

Almost True Crime 1: Wer nicht liebt, muss sterben
von Ruth Stiller

Bewertet mit 4 Sternen

Die Autorin Ruth Stiller beschäftigt sich gerne mit der Frage, was zu einem Verbrechen geführt hat, es ist eine Art der Ursachenforschung. Sie schmückt Geschichten aus, die sie hinter den Tragödien vermutet, die durch die Schlagzeilen gehen. Wie konnte es dazu kommen wo es doch andere Wege gegeben hätte? So authentisch das Geschehen von ihr geschildert wird, es ist fiktiv, daher finde ich den Übertitel: "Almost True Crime" nicht korrekt. Aufgrund dieser Bezeichnung ging ich von einem echten Verbrechen und korrekt ermittelten Vorgängen aus.

In "Wer nicht liebt, muss sterben" schreibt sie über Maja und Jessie, die soviel gemeinsam haben und doch aus ganz unterschiedlichen Welten kommen. Maja kommt aus gut situierten Verhältnissen, ist eine gute Schülerin und wäre am liebsten unsichtbar. Ihre beste Freundin ist umgezogen und sie fühlt sich allein. Sie muss sich oft um die kranke Mutter kümmern, der Vater erwartet Leistung und Mitarbeit. Jessie lebt mit Vater und Schwester in einem verfallen Wohnwagen, es fehlt hinten und vorne an allem was man zum Leben braucht, sogar an fließendem Wasser. Sie übernimmt Verantwortung für die Schwester und möchte über das Abitur den Absprung in ein besseres Leben schaffen.

"Und dann kam Maja. Mit ihrer abgöttischen Zuneigung, die sie für Liebe hielt. Die hatte das in ihrem eisigen Elternhaus genauso wenig gelernt wie Jessie."

Die Mädchen lernen sich nach den Sommerferien in der neuen Klasse kennen und mögen sich aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten, die sie schnell entdecken. Maja verändert sich daraufhin sehr drastisch. Die Liebesbeziehung der Beiden verläuft problematisch. In dem Verlangen, zu helfen und einen großen Gefallen zu erweisen, werden Grenzen überschritten und Gefühle verletzt. 

Beide Mädchen haben emotional große Probleme, sie können Vieles nicht richtig einschätzen und reagieren schnell über. Der Autorin ist es sehr gut gelungen, die Gefühle der Mädchen einzufangen und zu verdeutlichen. Sie schreibt abwechselnd aus Majas und Jessies Sicht, so sieht man als Leser das Unheil aufziehen, möchte die Mädchen packen und schütteln und kann doch nur zusehen, wie sie auf den Untergang zulaufen. Der Schreibstil ist flüssig und führt einen zügig durch die Geschichte. Es ist spannend und bedrückend zu lesen, wie die Menschen hier miteinander umgehen, denn es gehören ja immer mehrere zu so einer drastischen Entwicklung. Sympathisch war mir hier niemand, aber das ist nicht notwendig. Die Autorin zeigt sehr klar auf, wie es zu der Tat kam, mit der das Buch endet und zeigt desolate Verhältnisse sowohl im wohlhabenden als auch im armen Elternhaus auf. Es hätte Möglichkeiten gegeben einen anderen Weg einzuschlagen, aber es ist nicht so gekommen. 

Ein Buch das nachdenklich stimmt, weil es schonungslos das Versagen auf mehreren Ebenen aufzeigt und das gleichzeitig große Bedrückung auslöst, weil es so realistisch ist. Es hätte eben genau so sein können, wie Ruth Stiller es hier beschreibt.