Rezension

Bedrückender, authentischer Fall für Mørck & Co. - superspanned!

Verachtung
von Jussi Adler-Olsen

Bewertet mit 5 Sternen

Nete Hermansen, eine gepeinigte und ihres eigentlichen Lebens beraubte Frau, spielt eine zentrale Rolle in diesem 4. Fall für das Sonderdezernat Q. In diesem Fall erfahren wir von der dänischen Insel Sprogø, wo es einst eine Frauenanstalt gab. Diese war „besonderen“ Frauen vorbehalten, Frauen, die es nicht wert waren, in dieser Gesellschaft zu leben bzw., schlimmer noch, sich fortzupflanzen. Zwangssterilisationen waren unabdingbar, Misshandlungen an der Tagesordnung.

Die Geschichte rankt sich also um diverse Machenschaften von damals, die bis heute in verschiedenster Weise fortgeführt worden sind. Seit jeher existiert ein Netzwerk einflussreicher Menschen mit gleichen rechtspopulistischen Gedanken, welche die Arbeit fortsetzen. Sogar in die Regierung wollen sie mit der selbst gegründeten Partei „Klare Grenzen“ einziehen.

Und genau während dieser Wahlkampfzeit bekommen die Ermittler im Sonderdezernat Q eine Reihe von (zeitgleichen) Vermisstenfällen aus dem Jahr 1987 auf den Tisch. Sie dringen durch ihre unnachahmliche Art und Weise immer weiter vor in der Recherche und werden so -nicht zuletzt für die Partei „Klare Grenzen“ - zu einer Bedrohung.  Schließlich wird es auch für Mørck, Assad und Rose gefährlich.

Jussi Adler-Olsen hat mich mit diesem  neuen Fall unglaublich gefesselt. Herrlich skurril, aber auch sehr warmherzig entwickelt er die Hauptfiguren Mørck, Assad und Rose weiter. Er geht mehr in die Tiefe und trotzdem bleibt nach wie vor ein Hauch von Geheimnis in der Luft. Ganz besonders bei Assad ist es spannend – WER ist er eigentlich? Das ist die große Frage, die sich nicht nur Mørck ständig stellt, sondern auch der Leser.  Im Vergleich zum 3.Fall empfinde ich die Zusammenarbeit im Keller  dieses Mal als nicht ganz so überspitzt in Szene gesetzt, das hat mir besser gefallen. Spannung entsteht außerdem, da Mørck plötzlich innerhalb der Polizei einige brisante Dinge in die Schuhe geschoben werden,  die offenbar nicht zutreffend sind… oder doch? Hier bleibt der Leser am Ende etwas unbefriedigt zurück… ich nehme an, die Fortsetzung folgt.

Der Roman ist wieder so aufgebaut, dass im Wechsel erzählt wird – einerseits von den  Ermittlungen und Ereignissen im Jahre 2010, andererseits erfahren wir rückblickend ins  Jahr 1987, was es mit den vielen Vermissten auf sich hat.  Der Einstieg in diesen Thriller ist etwas ruhiger, dann aber hält der Spannungsbogen bis zum allerletzten Wort. Großartig!

Fazit: Der 4. Fall für das Sonderdezernat Q besticht durch Brisanz und Glaubwürdigkeit, da es unter anderem  um Vorfälle in den Jahren 1923-1961 auf Sprogø geht, die es tatsächlich in ähnlicher Form gegeben hat (die besagte Frauenanstalt für ausgestoßene Frauen gab es wirklich) und weil dieses rechtspopulistische Gedankengut nach wie vor in viel zu vielen Köpfen der Menschheit verankert ist. Die Ermittler sind mir diesmal ganz besonders ans Herz gewachsen. Die Spannung blieb konstant auf einem hohen Level. Für mich der bisher beeindruckendste & beste Fall für Mørck & Co.! Lesen!