Rezension

Berührend

Das Haus in der Claremont Street - Wiebke von Carolsfeld

Das Haus in der Claremont Street
von Wiebke von Carolsfeld

Bewertet mit 5 Sternen

Seine Eltern zu verlieren ist das Schlimmste, was einem Kind passieren kann. Die Umstände unter denen der kleine Tom seine Eltern verliert sind allerdings nicht nur schlimm, sie sind unvorstellbar. Tom ist traumatisiert, spricht nicht mehr, macht wieder ins Bett, doch nicht nur er leidet unter dem Verlust. Auch die Familie seiner Mutter trauert, jeder auf seine persönliche Weise und mitten in dieser Trauer geht das Leben irgendwie weiter und eine wichtige Frage ist zu klären - was wird aus Tom.

Die Autorin beginnt ihr berührendes Buch mit einer grauenvollen Tragödie und baut die nachfolgende Geschichte darauf auf. Immer wieder kommen wir beim Lesen an diesen Punkt zurück, dadurch wird die Wucht dieses Ereignisses spürbar und die Präsenz, die es für immer im Leben der Hinterbliebenen haben wird. Sehr einfühlsam wird die kindliche Sicht von Tom beschrieben, sein Umgang mit der Tragödie, dem gegenüber gestellt dann die Erwachsenen, die Geschwister seiner Mutter und deren Mechanismen zur Verarbeitung. Das Buch zeigt gut, wie verschieden Menschen mit Trauer und Verlust umgehen und wie sie sich dadurch oft selbst belügen und das Leben schwer machen. 

Der Stil der Autorin ist sehr gefühlvoll und nimmt den Leser mit in die Geschichte. Sie schafft es, dass der Leser eine Verbindung zu ihren Figuren aufbaut, eine emotionale Bindung, man beginnt zu hinterfragen, wie man wohl selbst reagieren würde. Das Buch ist emotional, man durchlebt beim Lesen ein ähnliches Gefühlschaos wie die Figuren, Trauer, Entsetzen, Wut, Unverständnis, aber auch Freude. Ein paar mal hatte ich Tränen in den Augen.

Die Geschichte ist vom Grund her nicht neu, aber die Autorin hat mich mit ihrer Version angesprochen, sie hat mich berührt, ohne rührselig zu werden. Ihre Figuren sind authentisch und glaubwürdig, nicht perfekt, so wie Familien eben sind. Sie lieben und sie streiten sich, haben Fehler und Macken, aber gerade deswegen liebenswert. Was mich am meisten angesprochen hat, war das Fehlen einer Patentlösung. Die Autorin gibt nicht vor, wie der Trauerprozess abzulaufen hat, sondern sie liefert eine individuelle, auf ihre Figuren abgestimmte Version.

Natürlich folgt das Buch einem gewissen Schema, hin auf das erwünschte Ziel, mir war es eine Freude dieses Ziel zu erreichen.