Rezension

Der Funke ist nicht übergesprungen

Der Feuerstein - Rae Carson

Der Feuerstein
von Rae Carson

Bewertet mit 4 Sternen

Die Inhaltsangabe hat mich persönlich sehr angesprochen, auch wenn ich es als etwas befremdlich befand, dass die Protagonistin anfänglich als äußert dick, esssüchtig und ohne Selbstbewusstsein dargestellt wird. Wobei “dargestellt” nicht das richtige Wort ist, denn Elisa erzählt ihre Geschichte aus ihrer Sicht, also in Ich-Perspektive und so wird der Leser Zeuge ihres Leidens – unsägliche Kopfschmerzen – wenn einmal keine Süßwaren zugegen sind oder ihre Flucht vor unangenehmen Situationen im Essen. Dies zu lesen war anfangs wirklich befremdlich und ich hatte auf einmal ein sehr großes Bedürfnis mich sofort in einem Fitnessstudio anmelden zu müssen. Doch zum Glück entwickelt sich Elisa im Laufe des Buches zu einem ganz anderen Menschen. Sie wird selbstbewusst, lernt zu führen und lenken und aufeinmal ist Essen nicht mehr so wichtig. Diese Entwicklung dient wunderbar als Beispiel, dass man sein Leben selbst in die Hand nehmen muss, wenn man nicht mehr zufrieden ist und daher ist die Figur der Elisa hervorragend als Vorbild geeignet.
Interressant aufgebaut ist die Geschichte zudem auf zweierlei Weise. Erstens beginnt sich Elisa endlich für ihren Feuerstein und ihre Rolle als Auserwählte zu interessieren und forscht nach. Sie findet heraus, dass jedes Land eine ganz andere Auffassung der Feuersteine hat, die vollkommen konträr zueinander sind, was es ihr schwer macht, alles zu ergründen – vieles wird noch für den zweiten Band aufgespart. Zweitens ist Elisas Liebesleben auf den ersten Blick sehr klischeehaft angelegt, doch in dieser Hinsicht überrascht die Autorin die Leser mit ungeahnten Wendungen, was die Geschichte glaubwürdig macht und den Kitsch außenvor lässt.
Carsons Schreibstil ist einfach und somit lässt sich das Buch gut lesen. Es ist auch immer etwas los und eine Bedrohung steht vor der Haustür und somit ist das Buch auch spannend konstruiert. Da es aus der Sicht Elisas geschildert ist, bekommt der Leser hautnah ihre Ängste und Empfindungen mit, aber auch ihre intelligenten Ideen und vor allem ihre Entwicklung zur selbstbewussten Frau. Dies hat das Buch wirklich unterhaltsam gemacht. Gelungen finde ich auch, dass das Buch zwar der Auftakt einer Trilogie ist, am Ende jedoch über ein richtiges Finale verfügt und sehr zu meinem Gefallen einen Schluss hat. Da dieser wirklich gänzlich ohne Cliffhanger auskommt, kann man nach diesem Buch getrost auf den zweiten Teil warten.
Dennoch hat das Buch es trotz des vielen Lobes nicht geschafft, mich zu überzeugen. Vielleicht mag es in diesem Fall an der Ich-Perspektive liegen, die nicht so geschickt umgesetzt wurde, wie ich es gewohnt bin. Vielleicht mag es aber auch daran liegen, dass Elisas Handlungen und Ideen von dan Nebencharakteren gelobt wurden und sie von sich selbst noch nicht überzeugt war – und ehrlich gesagt, war ich es zum Teil von ihr auch nicht. Gerade zu Beginn haben ihr Ehemann und sein Leibwächter sie für Dinge gelobt, die ich als überhaupt nicht lobenswert empfunden habe. Doch dies ist eine rein subjektive Empfindung von mir, trotzdem ist dies unter anderem ein Grund dafür, dass mich das Buch nicht vollends überzeugt hat und der Funke einfach nich übergesprungen ist. Es hat mich nicht mitgerissen. Daher finde ich es gut, dass das Buch in sich so geschlossen ist und ich so nicht gezwungen bin, die Fortsetzungen noch lesen zu müssen.

Fazit: Tja, was soll ich sagen? Technisch gesehen ist dieses Buch einwandfrei. Die Geschichte mit der anfäglich dicken und nicht an sich selbst glaubenden Prinzessin, die sich zu einer selbstbewussten und führenden Persönlichkeit entwicklet ist super und als Vorbild sehr dienlich. Auch die vielen potenziellen Klischeefallen in Liebesdingen hakenschlagend ausgewichen und damit stets unvorhersehbar geblieben. Also eigentlich ein Buch, das alles hat, was ein gutes Jugendbuch ausmacht – dennoch ist bei mir der Funke unerklärlicherweise nicht übergesprungen und ich bin mir nicht sicher, ob ich die Fortsetzungen lesen möchte. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich das Buch nicht weiterempfehlen kann!