Rezension

Der Lebkuchenmann...

Eulenschrei -

Eulenschrei
von Max Bentow

Bewertet mit 3 Sternen

Band 1 der Reihe. Einerseits spannend, andererseits deutliche Schwächen: sehr konstuiert, unglaubwürdige Ermittlungsansätze, offene Fragen.

Max Bentow ist für mich kein unbekannter Autor. Seine Reihe um Kommissar Nils Trojan habe ich bis Band vier verfolgt, danach habe ich sie irgendwie aus den Augen verloren. Die Folgen fünf bis elf sind daher von mir noch ungelesen, und angesichts meines großen SuBs glaube ich auch nicht, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern wird. Um so mehr habe ich mich gefreut, als ich entdeckte, dass er jetzt mit einer neuen Reihe gestartet ist. "Eulenschrei" ist Band eins dieser Serie, und Nils Trojan ist immer noch dabei. Er ermittelt hier nun gemeinsam mit der Profilerin Carlotta Weiss. 

 

"Renn, renn, so schnell du kannst. Du kannst mich nicht fangen. Ich bin der Lebkuchenmann." (S. 104) 

 

Die schockierend ausgeleuchteten Tatorte und die grässlichen Inszenierungen der Leichen hat Max Bentow auch in diesem Thriller beibehalten. Diesmal liegen die Opfer jeweils unter einer Kuscheldecke, das Entsetzen liegt darunter. Jedem der Opfer fehlt ein anderer Körperteil, jeder Tatort trieft vor Blut. Dass der Autor es blutrünstig mag, weiß ich ja schon. Trotzdem fand ich einige der Szenen schon echt - wow. Eine echt gruselige Atmosphäre, in der man durch die Seiten jagt. Der zeitliche Abstand der Morde wird immer geringer, und so wird das Tempo zunächst hoch gehalten. Bentow setzt wie schon in dem ein oder anderen Band der alten Reihe auch hier wieder auf die Verwirrtaktik. Er führt ständig neue Personen ein, bis einem der Kopf schwirrt - so war es tatsächlich wieder schwierig, da noch den Überblick zu behalten. 

Wieder einmal spielt Max Bentow mit geschickt platzierten Perspektivwechseln. Der Leser begleitet so nicht nur Carlotta Weiss und Nils Trojan bei ihren Ermittlungen, sondern wechselt auch zu den Angehörigen, die die Opfer letztlich finden und die zuvor auf einen versteckt platzierten Lebkuchenmann stoßen. Die Täterperspektive wird zwischendurch ebenfalls immer mal wieder präsentiert, so dass der Leser einen kleinen Einblick in die Gedanken- und Erinnerungswelt desjenigen erhält, der die perfiden Morde begeht. Kurze Kapitel, geschickt platzierte Cliffhanger sowie ein gewohnt flüssiger Schreibstil trugen dazu bei, dass das Lesetempo hoch blieb.

Doch trotz all dieser positiven Aspekte konnte mich der Einstiegsband in die neue Reihe leider nicht überzeugen. Der Fokus liegt hier sehr auf der Profilerin Carlotta Weiss, die ihre ganz eigenen Ermittlungsansätze hat. Sie verlässt sich v.a. auf Intuition und Bauchgefühl, sucht Tatorte gerne alleine und nachts auf, um ein Gespür für das Geschehen zu bekommen. Und um sich mit der Gedankenwelt des Täters zu verbinden, folgt sie oftmals allein den wenigen Spuren, die sie haben. Carlotta ist überhaupt kein Teamplayer, ihre Visionen waren mir persönlich too much, sie bringt sich ständig in Gefahr, stolpert aber natürlich als Einzige ständig über entscheidende Hinweise. 

Von den eigentlichen polizeilichen Ermittlungen bekommt man hier kaum etwas mit, verblüfft las ich an einer Stelle, dass Nils Trojan bereits seit 48 Stunden im Dienst war. Was hat er in dieser Zeit getan? Andere Ermittler kommen nur hinzu, wenn wieder ein Opfer oder wichtige Spuren gefunden werden, ansonsten gibt es nur Carlotta und Nils. Dieser vertraut den intuitiven Ermittlungsansätzen seiner neuen Kollegin blind und unterstützt ihre Alleingänge mit eigenen schrägen Vorgehensweisen. Vorgesetzte oder Staatsanwaltschaft werden darüber gar nicht erst informiert oder um Erlaubnis gefragt, selbst ist der Mann und die Frau... Insgesamt wirkt die Handlung sehr überladen und die Recherche des Autors zu juristischen Fragen oder glaubhaftem polizeilichem Vorgehen doch sehr oberflächlich. 

Trojan mit seinen Panikattacken, die er versucht geheim zu halten, und Carlotta mit ihrer eigenwilligen Art - für mich sind sie kein überzeugendes Ermittlerduo, sondern einfach sehr skurril. Dass Carlotta selbst in den Fokus des Täters gerät: hausgemacht. Zu allem Überfluss ist sie sich der Gefahr gar nicht bewusst, in der sie schwebt. Und der Täter? Der ist für mein Empfinden ebenfalls wenig überzeugend angelegt. Letztlich mordet er aus verschiedenen Motiven heraus, was mir arg konstruiert und wenig vorstellbar erschien. Und leider blieben am Ende auch noch einige Fragen offen.

Hat Max Bentow den Start der neuen Reihe unter der Prämisse je skurriler desto besser geschrieben? Es hat fast den Anschein. 2,5 Sterne, die ich wegen der Grundidee aufstocke, die aber leider wenig Lust auf eine Fortsetzung machen. 

 

© Parden