Rezension

Die Eisenbahn als Lebensader

Was dir bleibt -

Was dir bleibt
von Jocelyne Saucier

Bewertet mit 3 Sternen

Die Bedeutung der Eisenbahn folgt auch im Osten Kanadas einem rückläufigen Trend. Während sie in der Kindheit unserer Protagonistin Gladys neben Passagieren, Nahrungsmitteln und Utensilien des täglichen Lebens auch Bildung in die bewaldete Weite Kanadas brachte, sind nun immer mehr Strecken von der Stilllegung bedroht.

Wir Leser folgen nun Gladys, die einst als Tochter eines Schulzuglehrers geboren wurde, auf einer der letzten Fahrten des sogenannten Northlanders, der die Siedlung Swastika, wo Gladys wohnt, mit Toronto verbindet. Ihre Abreise ist ohne Ankündigung gegenüber der Nachbarschaft erfolgt. Was normalerweise unproblematisch ist, wird hier in Frage gestellt, da Gladys ihre zwar erwachsene, aber kranke Tochter zurück lässt.

So beginnt eine seltsam anmutende Jagd auf die im Steckennetz der Eisenbahnen Kanadas scheinbar verloren gegangene Gladys, die uns durch einen männlichen, namenlosen Ich-Erzähler nicht live, sondern als spätere Nacherzählung präsentiert wird. Dieser gibt vor kein Autor zu sein, was er durch sein Erzählen wie beim Kaffeekränzchen deutlich macht. Zahlreiche Abschweifungen berichten von den Besonderheiten der Eisenbahn, früher und heute. Der rote Faden des Romans leidet, die Figuren werden nicht soweit ausgeformt, dass ich mich zu keinem wirklich hingezogen fühle. Alle bleiben mir fremd. Am Ende klären sich zwar die Geschehnisse nachträglich auf. Mir war die Darstellung der Auflösung jedoch zu dünn.

Vermutlich deshalb bleibe ich auch etwas ratlos zurück. Ich frage mich, ob der Ich-Erzähler zum Ende hin, seine Erinnerungen so hingedreht hat, damit es für ihn passt, damit er in einen guten Licht stehen bleibt? Was war ursprünglich wirklich seine Motivation? Ist er letztlich doch selbst auch nur ein train buff? Ich kann darüber hinaus nicht nachvollziehen, warum die Autorin diesen Stille-Post-Weg über den Ich-Erzähler wählt und stattdessen nicht selbst erzählt. Diese Konstruktion hat sich mir nicht erschlossen. Positiv zu bewerten ist der sprachlich angenehme Lesefluss und die liebevolle Verbindung zwischen der Eisenbahn und den Charakteren. Die Eisenbahn ist quasi deren Lebenselixier.