Rezension

Nicht nachvollziehbar: die seltsame Irrfahrt einer alten Frau per Zug durch Kanada

Was dir bleibt -

Was dir bleibt
von Jocelyne Saucier

Bewertet mit 3 Sternen

Die 80-jähr. Gladys bricht für alle überraschend zu einer rätselhaften Reise per Zug durch den kanadischen Norden auf – nicht überzeugend

Die Idee des Buches fand ich interessant: die 80-jährige Gladys, die sich bisher aufopfernd und rührend um ihre psychisch kranke Tochter gekümmert hat, bricht heimlich und für alle überraschend zu einer Art Irrfahrt kreuz und quer durch Kanadas Norden auf. Was steckt dahinter? Das ist die Frage, die die Beteiligten und den Leser antreibt. Gibt es ein Geheimnis? Hat sie ein bestimmtes Ziel oder lässt sie sich vom Zufall treiben? Will sie alle Strecken abfahren, die sie von früher kennt? Aber warum tut sie das?

Auch beim Ich-Erzähler, Eisenbahnliebhaber (einem Mann, die Autorin eine Frau) fragt sich der Leser, warum er wie besessen jahrelang die geheimnisvolle Fahrtroute der alten Frau verfolgt und viele Gespräche mit den Beteiligten führt und am Ende diesen 'Bericht' schreibt.

Die Durchführung fand ich dann aus zwei Gründen nicht gelungen und ziemlich langweilig:

Erstens gibt es ständige Abschweifungen, von denen ich nur die Beschreibung der 'schooltrains' interessant fand, die durch die kanadische Wildnis fuhren und die sicher Stoff für einen eigenen Roman abgeben würden. Aber die meisten Exkurse haben mich nur gelangweilt und – wie der Ich-Erzähler selber schreibt:

... die Geschichte von … hat keinerlei Nutzen für die Erzählung. (45) Ja, warum dann?

Zweitens erscheinen mir die Handlungsweisen der beteiligten Personen im Großen und Ganzen nicht nachvollziehbar, ein wenig wirklichkeitsfremd und unwahrscheinlich, z.B. die Beziehung zwischen Gladys, der alten Frau, und Janelle, einer jungen Zufallsbekanntschaft.

Das ganze Buch über blieben mir die Personen leider fern. Ich muss einen Roman-Charakter nicht mögen, aber hier fehlt mir irgendetwas, um die Distanz zu überwinden. Vielleicht liegt es daran, dass die Autorin nicht dem Grundsatz folgt: 'Show don't tell'. Sie bzw. der Ich-Erzähler stellen dem Leser Fertiges vor (z.B. das Verhältnis zu Janelle, S. 205), lassen ihn nicht selber aus Worten und Taten Schlüsse ziehen. Ich glaube, das ist es, was mich stört.

Es tut mir immer Leid, wenn mir ein Buch nicht gefällt und ich es nicht loben kann. Aber ich war sehr froh, fertig zu sein und es zuklappen zu können. Jocelyn Saucier wird bestimmt ihre Leser finden, aber ich werde nicht dazu gehören.