Rezension

Die Guten sind gut, und die Bösen sind böse

Thalam - Gabriele Ennemann

Thalam
von Gabriele Ennemann

Bewertet mit 2.5 Sternen

In meinen Augen ist der größte Pluspunkt des Buches seine enorme Originalität! Gabriele Ennemann lässt die so komplexe wie märchenhafte Welt Thalam in schillernden, lebhaften Details vor dem Leser auferstehen. Es gibt immer wieder etwas Neues zu entdecken!

Leider hatte ich aber dennoch so meine Probleme mit dem Buch.

Zum Teil liegt es wohl daran, dass die Geschichte irgendwo im Niemandsland zwischen Kinder- und Jugendbuch angesiedelt ist. Gidion, der Held der Geschichte, ist 15 Jahre alt, was ja eigentlich auch Leser dieser Altersgruppe anspricht, der Schreibstil kam mir aber eher einfach und kindlich vor.

Der Inhalt las sich für mich ebenfalls wie ein Kinderbuch, denn ich vermute, sprechende Tiere, niedliche Blumenelfen und kauzige Wichtel werden zwar Kinder und junggebliebene Erwachsene bezaubern, für viele Jungs im Teenageralter aber einfach zu uncool sein.

Tatsächlich wird das Buch auch für Kinder ab 10 Jahren empfohlen - für diese Altersgruppe fehlte mir aber ein wenig die passende Identifikationsfigur!

Die Ereignisse werden dem Leser überwiegend aus Gideons Sicht erzählt, wodurch er direkt dazu eingeladen wird, mit ihm mitzufühlen. Am Anfang werden die wichtigsten Dinge, die der Leser wissen muss, vermittelt, indem Gidions Ziehvater ihm Dinge erklärt - was mir ein wenig konstruiert vorkam, aber auch jungen Lesern den Einstieg leicht macht. 

Leider war für mich nicht immer alles schlüssig. Es waren oft die kleinen Details, die mich stutzig machten und mich ein wenig aus der Geschichte rissen.

Auch die Charaktere machten es mir nicht immer einfach.

Außer Gidion besteht die Avantgarde, also die Gruppe junger Helden, die Thalam retten sollen, aus der etwa gleichaltrigen Leona, sowie der etwas älteren Dawn und dem Kronprinzen Levinor.

Wie schon gesagt, mir kam Gidion oft viel jünger vor, als er eigentlich sein sollte. Abgesehen davon fand ich ihn aber sympathisch und ich konnte auch gut mir ihm mitfiebern!

Auch Leona wirkte auf mich häufig eher wie ein Kind. Sie langweilt sich schnell und reagiert patzig, wenn etwas nicht nach ihrem Kopf geht, ist aber ansonsten gutherzig, pfiffig und mutig.

Für Dawn und Levinor konnte ich dagegen einfach kein richtiges Gespür entwickeln. Ich habe nicht das Gefühl, sie wirklich zu kennen!

Am schwersten machten es mir aber die Bösewichte. Sie erschienen mir sehr eindimensional - sie sind böse, weil sie eben böse sind, und sie haben Spaß daran. Außerdem benehmen sich die beiden gefährlichsten Widersacher manchmal geradezu kindisch und verbringen einen Großteil des Buches damit, dass sie in der Gegend umher irren und mit ihren Plänen keinen Schritt voran kommen. Dadurch wirkten sie auf mich nicht sehr bedrohlich!

Überhaupt wollte für mich so recht keine Spannung aufkommen. Es wird viel davon gesprochen, was für schreckliche Dinge passieren könnten oder in der Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit geschehen werden, weil die Lebensachse gestohlen wurde - aber man bekommt als Leser diese Bedrohung nicht unmittelbar mit. Ich habe einfach nicht gespürt, dass die Zeit drängt und die Welt in großer Gefahr ist.

Es braucht sehr lange, bis die vier Mitglieder der Avantgarde tatsächlich losziehen, um die Welt zu retten! Und dann verläuft die Reise zunächst ziemlich ruhig. Es wird viel gerastet, es werden wundersame Wesen bestaunt... Es dauert mehr als 200 Seiten, bis sich den jungen Helden überhaupt mal ernsthaft etwas in den Weg stellt. 

Meist erledigen sich die Schwierigkeiten denn jedoch relativ problemlos, oder sie kommen tatsächlich in eine lebensbedrohliche Situation, meistern sie aber nicht selbst, sondern müssen gerettet werden.

Ich hätte mir manchmal gewünscht, dass Gidion und seine Freunde mir viel deutlicher zeigen, warum das Schicksal ausgerechnet sie ausgewählt hat, zur Avantgarde zu gehören!

Fazit:
Die Geschichte ist wunderbar fantasievoll und originell! Aber leider konnte ich mit den Charakteren nicht immer warm werden; besonders die Bösewichte wirkten auf mich eher flach. Auch die Spannung fehlte mir, so dass sich die Geschehnisse für mich etwas zogen...

Ich will nicht behaupten, dass "Thalam" ein schlechtes Buch ist, aber mich konnte es einfach nicht komplett überzeugen, so leid es mir tut.