Rezension

Die perfekte Mischung von unheimlich und magisch

Die Insel der besonderen Kinder - Ransom Riggs

Die Insel der besonderen Kinder
von Ransom Riggs

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt

Die Geschichte in "Die Insel der besonderen Kinder" rankt sich um den 16-jährigen Jacob. Wie es auch bei vielen anderen Kindern der Fall ist, erzählte sein Großvater ihm einst allerlei Geschichten, die er in kindlicher Neugier nur allzu begierig aufsog. So weit – so normal. Doch diese Geschichten waren keine gewöhnlichen Großvater-Märchen. Immer wieder handelten sie von einer ungewöhnlichen Insel, auf der in einem Waisenhaus Kinder lebten, die ganz und gar nicht so waren wie andere ihrer Altersgenossen. Sie konnten beispielsweise schweben oder unsichtbar werden. Allerdings wurden sie von Monstern bedroht. Doch damit nicht genug: Angeblich lebte auch sein Großvater dort.
 
Geschichten eben, nichts weiter. So glaubt Jacob – bis sein Großvater unter mysteriösen Umständen getötet wird. Jacob findet ihn im Sterben liegend – und erhascht tatsächlich noch einen Blick auf das Monster, dem sein Opa zum Opfer gefallen ist. Einbildung? Wohl kaum, wie Jacob feststellen muss, als er die berüchtigte Insel auf der Suche nach Antworten dann tatsächlich besucht. Denn plötzlich scheint es, als seien die Märchen seines Großvaters eben genau dies nicht: Märchen.

 

Kritik

Als ich die erste Leseprobe von Ransom Riggs “Die Insel der besonderen Kinder” gelesen habe, war ich sogleich gefesselt und fasziniert. Die ersten Seiten des Buches übten einen unglaublichen Sog auf mich aus und ehe ich mich versah, war ich mitten drin in Jacobs Abenteuer. Und es gab keinen Weg zurück.
 
Natürlich ist das Cover, das Erste, was einem ins Auge springt. Gleichermaßen unheimlich wie wunderschön. Das Bild, welches man auf dem Cover sieht und das auch im Buch wieder auftaucht, ist liebevoll mit grünen Ranken geschmückt worden, sodass das Ganze verschlungen und magisch wirkt. Es passt perfekt zum Inhalt des Buches, zu dem alten Haus, in dem die Kinder lebten und es wirkt wie ein Tor, was uns dazu verführen will, in die Geschichte hinter dem Buchdeckel einzutreten.
Auch innerhalb des Buches lässt die schöne Gestaltung nicht nach. Die ersten und letzten und noch weitere Seiten sind von verschiedenen Mustern überzogen, die einer Tapete ähneln. Und dann sind da natürlich noch die Fotos. Sie machen das Buch noch zusätzlich zu einem außergewöhnlichen Leseereignis. Sie verstärken die Stimmungen im Buch und verfälschen nicht, wie ich anfangs etwas gefürchtet habe, meine eigenen Vorstellungen von den beschriebenen Dingen. Die Fotos machen diese eigentlich nur noch fassbarer und sind somit eine tolle „Beilage“.

 
„Gerade als ich mich an den Gedanken zu gewöhnen begann, dass dieses Leben keine großen Abenteuer für mich bereithalten würden, geschah etwas Seltsames. Es war das erste einer Reihe von Ereignissen, und es versetzte mir einen furchtbaren Schock. So wie alles, was einen für immer verändert, teilte es mein Leben in zwei Hälften: vorher und nachher.“

 
Und beides, das Vorher und das Nachher, lernt der Leser in Jacobs Leben kennen.  Auf den ersten Seiten hören wir, genauso wie Jacob, die Geschichten seines Großvaters Abraham Portman. Sie sind skurril, makarbar, unheimlich und wunderbar. Man ist ebenso gebannt wie Jacob und liest neugierig die Seiten des Buches. Man ist fasziniert von diesen besonderen Kindern mit ihren unglaublichen Fähigkeiten, die zusammen in einem Kinderheim auf einer Insel leben und dort vor den Monstern, die hinter ihnen her sind, sicher und glücklich sind. Doch man ahnt natürlich, dass Jacob mit steigendem Alter an diesen fantastischen Geschichten zweifeln wird, und so kommt es dann auch.
 
Jacob wird fünfzehn und liebt seinen alten Großvater sehr, doch seit er klein war, hat er nie wieder richtig an dessen Geschichten geglaubt. Das ändert sich schlagartig, als seinem Großvater etwas zustößt und Jacob selbst einem dieser Monster kurz gegenüber steht. Natürlich glaubt ihm niemand seine Geschichte über ein ekelhaftes und grausiges Monster, das seinen Großvater ermordet haben soll. Irgendwann glaubt Jacob selbst daran, nur unter einer akuten Stressreaktion zu leiden, doch er fühlt sich beobachtet und hat jede Nacht schreckliche Albträume.
Als ihm durch einen Zufall ein mysteriöser Brief in die Hände fällt, weiß er, dass er unbedingt auf die Insel reisen und diese besonderen Kinder und ihr Zuhause, in dem auch sein Großvater einst gelebt hat, finden muss. Dort angekommen, entdeckt er mehr, als er jemals für möglich gehalten hat, als er sich jemals in seinen Kinderträumen ausgemalt hat.

Jacob ist eine tolle Figur, die unglaublich viel Witz und Selbstironie an den Tag legt. Er ist ein Außenseiter, hat nur einen Freund und diese Freundschaft erweist sich nicht als besonders standhaft. Seine Eltern sind reich und lieben ihn, wissen allerdings nur wenig über ihren Sohn, und verhalten sich überbesorgt und zum Teil sogar beschämt als Jacob in Therapie geht. Wahre Freunde und Menschen die ihn verstehen, lernt er dann erst auf der msyteriösen Insel kennen.
Jacob selbst ist ein sehr starker 16-Jähriger, der mit dem, was ihm passiert realistisch umgeht. Er hat mit dem, was er gesehen hat und mit dem Tod seines geliebten Großvaters zu kämpfen und leidet sehr darunter. Er rappelt sich jedoch wieder auf und geht den Geschichten Abrahams auf den Grund. Dabei beweist er seinen Mut und setzt sein schlaues Köpfchen gekonnt ein. Besonders unterhalten haben mich seine inneren Monologe, die so einleuchtend und glaubhaft und auch zum Schreien komisch sind. Jacobs Gedankengänge und seine Selbstironie sind zweifellos Charakteristika des Buches, welche es so spannend und gleichzeitig witzig und gruselig machen.
 
Das Buch zu lesen war ein Traum, denn Ransom Riggs Schreibstil ist so einfach und doch so aussagekräftig. Andere Autoren benutzen elend lange Sätze oder haben eine Schwäche für bestimmte, immer wiederkehrende Wörter. Riggs hingegen sagt das was er uns mitteilen will, auf eine einfach, vielleicht unverschnörkelte Weise, aber doch sehr ausdrucksstark und mit stärkeren, emotionalen Auswirkungen, als es jede gewundene Sprache es hätte machen könnenhätte ausrichten können. Gekonnt vermischt der Autor Humor mit dem Unheimlichen, beides zieht sich durch das ganze Buch.
 
Die Geschichte ist gut durchdacht und hat eine klare Linie. Das Ende ist nicht unbedinnt vorhersehbar und überrascht auch, obwohl man manche Dinge vielleicht erahnen kann. Der einzige, vielleicht bedingt negative Punkt, der mir zu dem Buch einfallen würde, ist der Titel. Natürlich passt er zum Inhalt des Buches, doch ist er im Vergleich zum Originaltitel "Miss Peregrine’s Home for Peculiar Children" nichtssagender und um einiges weniger mysteriös. Außerdem ist das Ende zwar in sich abgeschlossen, doch auch offen. Man wird nur zum Teil zufriedengestellt und möchte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Ich bin gespannt auf weitere Werke vom Autor, die sich um Jacob und Emma drehen.

Und so hält „Die Insel der besonderen Kinder“ alles für uns bereit: Phantastik, Abenteuer, Liebe, Verlust, Spannung und Furcht. Man gruselt sich dank der skurrilen Seite an dem Buch, man lacht über die Selbstgespräche Jacobs und schließt die besonderen und auch eigenartigen Kinder schnell ins Herz. So ist Ransom Riggs Roman auf jeden Fall ein Muss und sollte ganz oben auf jeder Bücherliste stehen.
 
Abschließend kann ich nur sagen, dass ich mich freue, dass „Die Insel der besondern Kinder“ verfilmt werden soll (wir berichteten) und das Buch würde in Tim Burton als Regisseur wohl den perfekten Meister finden!
 

Zuerst im Dezember 2011 bei fantasy-fans.eu veröffentlicht (http://www.fantasy-fans.eu/buecher/die-insel-der-besonderen-kinder/b1177...)