Rezension

Die Waffe des Wortes

Alles, was wir sind - Lara Prescott

Alles, was wir sind
von Lara Prescott

Russland, Anfang der 50er Jahre. Der Schriftsteller Boris Pasternak arbeitet seit Jahren an seinem Meisterwerk „Doktor Schiwago“ – sehr zum Missfallen der politischen Elite, die das Werk als antisowjetisch betrachtet. Schnell gerät auch Olga Iwinskaja, Boris Muse und Geliebte, ins Fadenkreuz Stalins Männer.

Währenddessen versucht Irina Drosdowa verzweifelt auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, als die CIA auf die junge Frau mit dem tiefen Groll auf ihr Herkunftsland, das vor Jahren ihren Vater ermordete, aufmerksam wird. Irina wird tief hineingezogen in einen Strudel aus Macht und Intrigen und wird schließlich selbst zu einer Key Playerin im neusten Coup der CIA: sie soll helfen das durch die Sowjetunion verbotene Werk Pasternaks „Doktor Schiwago“ in Russland zu verbreiten. Denn auch das Wort ist eine Waffe im Kalten Krieg.

 

Was sich im ersten Moment nach blühender Fantasie auf Seiten der Autorin anhören mag, ist das Ergebnis jahrelanger Recherche. Erst 2014 veröffentlichte die CIA ihre Akten zur Affäre „Doktor Schiwago“ und bestätigte damit Jahrzehnte später die Verschwörungstheorien des sowjetischen Propagandaapparats.

 

Prescotts Erstlingswerk lässt sich nur schwer in eine Schublade stecken. Geschickt jongliert die Autorin Elemente aus den Bereichen historischer Roman, Agententhriller und Liebesgeschichte und schafft damit ein spannendes Geflecht abseits der typischen Genres. In Lara Prescotts Roman geht es um Macht, um Literatur,  um Freiheit, um die Akzeptanz Homosexueller. Letztendlich ist „Alles, was wir sind“ in meinen Augen aber vor allem ein Buch über starke Frauen in der männerdominierten Welt der 50er und 60er Jahre. Die Geschichte wird überwiegend aus Sicht der weiblichen Protagonistinnen erzählt, denen oft große Teile der Wahrheit vorenthalten werden, die jedoch alle eine deutlich klareren Blick auf die Ereignisse haben, als den Männern auf beiden Seiten Recht wäre.

 

Obwohl das Buch für mich einige Längen hatte  - wohl auch dadurch bedingt, dass ich im Vorfeld etwas andere Erwartungen hatte (der Plan der CIA nimmt erst ab der zweiten Hälfte des Buchs Fahrt auf) – habe ich die Lektüre von „Alles, was wir sind“ sehr genossen. „Doktor Schiwago“ hat sich einen Platz auf meiner Leseliste verdient.