Rezension

Drei Frauen, drei Lebenswege und die Vergänglichkeit des Glücks - dramatisch und schicksalsergeben, aber am Ende verfügen sich die Handlungsstränge rund zusammen

Die Halbwertszeit von Glück -

Die Halbwertszeit von Glück
von Louise Pelt

Bewertet mit 4 Sternen

Johanna, die zurückgezogen in einer Hütte im Wald im Grenzgebiet der DDR zur BRD lebt, nimmt sich im Winter 1987 eines 17-jährigen Mädchens an, das sie angeschossen auffindet.
Holly ist im Frühjahr 2003 nach Kalifornien gezogen, um dort ihr Glück als Drehbuchautorin zu finden. Als sie tatsächlich über ihre Mitbewohnerin die Chance erhält, einer berühmten Regisseurin eine ihrer Geschichten vorzustellen, geschieht ein Unglück, bei dem eine lieb gewonnene Kollegin ums Leben kommt, was alles ändert.
16 Jahre später erfährt Mylène in Paris, die gerade vor der Hochzeit mit ihrem Verlobten Frédéric steht, dass sie von einer ihr unbekannten Frau eine Wohnung in Amsterdam geerbt hat. Sie macht sich auf den Weg dorthin, um mehr über ihre Verbindung zu ihr und vor allem ihre eigenen Wurzeln zu erfahren.

Das Buch handelt von drei Frauen an unterschiedlichen Orten in drei verschiedenen Jahrzehnten, deren Leben durch unvorhergesehene Ereignisse aus den Fugen geraten und zeigen, wie vergänglich das Glück sein kann.

Johanna ist der Meinung, dass sie ihr Recht auf Glück für alle Zeit verwirkt hat und lebt deshalb allein in einer Hütte im Wald, wo sie den Kontakt zu anderen Menschen weitgehend eingestellt hat. Die Begegnung mit dem namenlosen Mädchen führt dazu, dass sie sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen muss.
Holly gibt sich die Schuld am Tod ihrer Kollegin und denkt deshalb, dass sie keinen Anspruch auf Liebe und Erfolg hat, krempelt ihr Leben um und torpediert damit ihre Karrierepläne und Lebenstraum.
Mylène, die so glücklich mit ihrem Verlobten war und ganz allein eine eigene Firma aufgebaut hat, reist nach einer Nachricht tief enttäuscht nach Amsterdam und beginnt ihr gesamtes Leben zu hinterfragen. Begleitet wird sie dabei ausgerechnet von ihrem Exfreund, der sie vor Jahren hintergangen hatte.

Der Aufbau der Geschichte suggeriert Spannung, aber so manche Verbindung der Frauen und Erzählebenen ist einfach zu durchschauen. Bei anderen dauert es länger, was jedoch vor allem daran liegt, dass Namen zurückgehalten werden.
Durch die gleichwertigen Lebensgeschichten fällt es nicht leicht, schnell Zugang zu den Hauptfiguren zu bekommen. Auch verhalten diese sich zumal lebensfremd, was im sehr ereignisreichen Mittelteil übertrieben dramatisch wirkt oder zumindest irritierend ist.

Der Roman rutscht jedoch nicht ins Seichte ab und bedient Klischees, die man an mancher Stelle erwarten würde. Er verknüpft die einzelnen Handlungsstränge am Ende logisch und lässt keine Fragen offen.
Die einzelnen Lebensgeschichten drehen sich um Trauer, die Suche nach den eigenen Wurzeln, die Auseinandersetzung mit Schuld, die Frage nach Selbstliebe, Versöhnung und Verzeihung. Authentisch ist dargestellt, wie lebensverändernde Ereignisse die Protagonisten verwirren und sie unüberlegt handeln lassen. Die Akte der Selbstgeißelung und Bestrafung sowie die wiederholten Gedanken, kein Recht auf Glück zu haben, sind nachvollziehbar, wenn auch nicht unbedingt gerechtfertigt. Erst am Ende setzt ein Lernprozess ein und führt die Frauen wieder auf einen richtigen Pfad, bereit für das Leben, das nicht vorhersehbar oder planbar ist und mit allen Widrigkeiten angenommen werden muss.

Auch wenn ich im Mittelteil meine Probleme mit den Figuren hatte und mir an der ein oder anderen Stelle mehr Tiefgang gewünscht hätte, ist der Roman durchgängig schön erzählt, arbeitet den Bezug zum Titel einprägsam heraus und ist durch den steten Wechsel der Charaktere unterhaltsam und lebendig. Die Empathie sowie Liebe für die Figuren und ihre (geballt dramatischen) Schicksale sind auf jeder Seite spürbar und führen für alle zu einem versöhnlichen und auch glücklichen Ende ohne übertriebenen Kitsch.