Rezension

Drei starke Frauen

Die Halbwertszeit von Glück -

Die Halbwertszeit von Glück
von Louise Pelt

Bewertet mit 4 Sternen

1987: Johanna, die nach dem Tod ihrer Tochter als Einsiedlerin im Wald im deutsch-deutschen Grenzgebiet lebt, versteckt ein 17jähriges Mädchen. 2003: Holly träumt von einer Karriere in Hollywood, doch als eine Kollegin ums Leben kommt, die für sie eingesprungen ist, stürzt sie in eine tiefe Krise. 2013: In Paris steht Mylène kurz vor der Hochzeit mit ihrem Traumprinzen Frédérick, doch der Besuch eines Anwaltes wirft ihr Leben aus der Bahn.

Die Hamburger Autorin Louise Pelt widmet sich in ihrem Roman der Frage, ob Glück mehr sein kann als ein flüchtiger Augenblick und erzählt dazu von großem Unglück, dass ihre Figuren durchleiden müssen. In diesem Zusammenhang findet sie den Buchtitel bei einer Aussage ihrer Figur Johanna: "In der Physik ist die Halbwertszeit die Zeitspanne, in der sich die Menge eines bestimmten Stoffes um die Hälfte reduziert. Für uns Kernphysiker ist das besonders interessant, aber im Prinzip zerfällt alles irgendwann." Und so stellt Pelt durch Johanna auch ihren Leserinnen die Frage, ob auch das GLÜCK eine Halbwertszeit haben kann...

Mit leichter Hand und moderner Sprache hat Pelt einen ergreifenden Roman geschaffen, der sich leicht lesen lässt und doch zum Nachdenken anregt. Eine Vielzahl von wunderschönen Zitaten bleiben im Gedächtnis (von deren weiterer Nennung ich hier absehen möchte) - doch auch eine ganze Menge Klischees und Elemente aus gängigen Frauenromanen sind verarbeitet wie der reiche, attraktive Junggeselle, der bei unserer Protagonistin endlich in den Hafen der Ehe einläuft, das gutgehende kleine Café einer ambitionierten jungen Frau. eine zickige, rücksichtslose Chefin, die ihre Mitarbeiter schikaniert, der schwule Assistent und weitere.

Obwohl von der Autorin die Geschichten dreier Frauen aus verschiedenen Jahrzehnten abwechselnd erzählt werden, sind diese Stränge zumindest in sich chronologisch und die einzelnen Kapitel sind mit Name, Ort und Datum gekennzeichnet, so dass der Leser nicht durch Zeitsprünge verwirrt wird. Und obwohl die drei Frauen von zwei Kontinenten anfangs kaum eine Gemeinsamkeit erkennen lassen, erschließt sich ihre Verbindung im Laufe der Zeit immer mehr und findet einen gekonnt inszenierten, berührenden Schluss, der die wichtigen Fragen umfassend beantwortet (auch ohne eine rauschende Hochzeitsfeier).

Im Mittelpunkt der Handlung stehen - abgesehen von der im Prolog präsentierten Margarethe 1938 - die erwähnten weiblichen Figuren Johanna, Holly und Mylène; allesamt starke Frauen, die sich, wie wir alle, nach dem großen Glück sehnen und auf ihrer Suche vor immense Hindernisse und einschneidende Erlebnisse gestellt werden. Die Entwicklung in der Prädestination der Frauen treibt den Roman ebenso voran wie die Frage nach der möglichen genauen Verbindung ihrer Schicksale. Auch, wenn die drei unterschiedlicher kaum sein könnten, manche Aktionen für Kopfschütteln bei mir sorgten und einige Details konstruiert wirkten wie kaum mögliche Zufälle, waren mir die Figuren sympathisch und ich fühlte mit ihnen mit in Freud und Leid. Und trotz der geschilderten großen Katastrophen und dem immer wieder aufkommenden Zweifel nach Lösungen, wirkte es nie wie ein Drama, sondern hoffnungsvoll.
Bei der Geschichte um der am Todesstreifen wohnenden Johanna setzt die Autorin meiner Meinung nach ein gewisses Maß an Vorwissen über die DDR, die Bespitzelungen und die "Republikflucht" voraus.

Insgesamt hat mich der Roman gut unterhalten und die Geschichte flog nur so voran. Ich empfehle diesen (doch eher) Frauenroman gerne weiter und vergebe vier Sterne.