Rezension

Ein Bild von Vermeer

Die Magie der kleinen Dinge - Jessie Burton

Die Magie der kleinen Dinge
von Jessie Burton

Welche Möglichkeiten hat eine junge Frau im 17. Jahrhundert, wenn der Vater  gestorben ist und vor seinem Tod noch das Familienvermögen durchgebracht hat? Wenn die Familie beschließt, sie mit einem Mann zu verheiraten, der mehr als doppelt so alt wie sie selbst, dafür aber vermögend ist? Richtig vermutet – keine. Ob sie will oder nicht, sie muss sich den Entscheidungen beugen, die andere für sie getroffen haben.

So ergeht es der achtzehnjährigen Petronella Oortman, Hauptfigur in „Die Magie der kleinen Dinge“, dem Erstling der englischen Autorin Jessie Burton. „Nella“, wie sie genannt wird, ist ein naives Mädchen vom Land aus einer verarmten Familie, die mit dem wohlhabenden Amsterdamer Kaufmann Johannes Brandt, verheiratet wird. Die Ehe ist eine Notwendigkeit für den Händler und hat mit Liebe nicht das Geringste zu tun.

Es ist ein freudloses Leben, das Nella nach ihrer Hochzeit in Amsterdam erwartet. Der Ehemann glänzt im Wesentlichen durch Abwesenheit, den Alltag im Herrenhaus  organisiert seine verknöcherte, strenge Schwester Marin. Die einzige Abwechslung bietet ihr das Hochzeitsgeschenk ihres Mannes, eine Nachbildung ihres neuen Heims im Miniaturformat, ein Puppenhaus, das sie auf seine Kosten nach ihren Wünschen ausgestalten darf. Die entsprechenden Lieferungen kommen von einem Miniaturisten, der offenbar bestens mit den Geheimnissen der einzelnen Familienmitglieder vertraut ist und Nella nach und nach intime Informationen über ihre neue Familie liefert…

Jessie Burton erweckt einen längst vergangene Epoche zum Leben, denn beim Lesen drängen sich sofort die Bilder der bekannten niederländischen Maler des 16. und 17. Jahrhunderts auf: Vermeer und Brueghel, deren Darstellungen des Alltags hat sie in Worte umgesetzt.

Aber sie schaut nicht nur auf Äußeres, sondern geht auch bei der Beschreibung der calvinistisch geprägten Gesellschaft in die Tiefe. Auffällig ist die  Verbissenheit, mit der jeder Funke Lebensfreude im Keim erstickt werden soll. Aber es gibt immer Möglichkeiten, die unzähligen Verbote zu unterlaufen, und hier ist „Die Magie der kleinen Dinge“  auch ein stückweit ein Emanzipationsroman, der das allmähliche „Erwachen“ der Protagonistin beschreibt. Inwieweit dies allerdings in diesem zeitlichen Kontext tatsächlich möglich war, und nicht nur dem Wunschdenken der Autorin entsprungen ist, sei dahingestellt. Auf alle Fälle wird dadurch der positive Eindruck in keinster Weise geschmälert.