Rezension

Ein (fast) neues Leben

Fast ein neues Leben -

Fast ein neues Leben
von Anna Prizkau

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Lesehighlight! Klein aber mit so viel Aussagekraft und Gefühlen. Es konnte mich fesseln und durchweg bewegt begeistern.

„Schnell urteilte er über mich, über mein Leben. Er urteilte als Erstes über meine Sprache, sagte, dass sie sich gut anhöre, dass man nicht merke, dass ich zum Glück nicht wie die anderen sei, die nicht die deutsche Sprache lernten, aber das deutsche Geld haben wollten.“ (Seite 35)

In 12 Geschichten erzählt die Autorin Anna Prizkau von ihrer Protagonistin.  Eine Frau die als Kind mit ihren Eltern aus dem „alten Land“ nach Deutschland geflohen ist und nun versucht hier Fuss zu fassen. Doch wollen die Menschen nicht? Oder wird es den Menschen „von woanders“ stark erschwert?

In diesen mal etwas längeren und kürzeren Geschichten setzt sich die Autorin damit auseinander. Der Schreibstil ist an sich schon unglaublich packend, es zieht einen einfach mit, man überlegt, man hat eigene Vorurteile, man ist fassungslos, man wünscht sich ein Aufbäumen, ein zu sich stehen und einfach Ruhe für ein neues Leben ohne Fast. Mir fiel es schwer das Buch wegzulegen, wegen mir hätte das Buch gerne die doppelte Menge an Geschichten und Seiten haben dürfen.

Denn Geschichten sind es keinesfalls, nein. Es sind Alltagssituationen die viele Menschen, die nicht „deutsch“ aussehen oder mit einem „anderen Akzent“ sprechen, erleben müssen und schweigen, darüber hinwegsehen oder sich sagen – ich muss noch mehr „deutsch“ werden um auf jeden Fall akzeptiert oder anerkannt zu werden.

Die Autorin hält sich an keinen „Plan“ sondern der Leser erlebt viele Dinge oft von Gegenwart in die Vergangenheit, über Studium zur Grundschule über Familienleben in Deutschland und der Familie die im „alten Land“ geblieben ist. Aber vor allem zeigt dieses Buch auf wie traurig und erbärmlich es ist dass wir Menschen nach ihrem Status des Landes, ihrer Herkunft fragen. Natürlich ist es kein Verbrechen mit Menschen über ihre  Heimat zu reden, aber ein Mensch setzt sich aus mehr zusammen als sein Heimatland und wo er nun lebt.

Selbst ich als Leserin war bei der ein oder anderen Geschichte nicht von Vorurteilen frei, erlaubte mir eine schnelle Beurteilung und war dann über das Ende der Geschichte schockiert wie ich dachte und was wirklich geschehen ist. Die Autorin hält jedem den Spiegel vor, damit muss und sollte man dringend umgehen können und auch ehrlich zu sich sein.

Es schmerzt fast wenn man liest wie sehr die Protagonistin und ihr Vater versuchen „deutsch“ zu sein, während andere Familienmitglieder daran zerbrechen und dem Druck nicht standhalten können. Wie sehr sie dies beschäftigt und einnimmt, während es doch schöner ist voneinander zu lernen und kulturell bunt zu bleiben und zu schätzen und stützen.

Ein kleines Buch mit einer so großen und vor allem wichtigen Aussage die trifft. Ein Highlight welches ich sehr gerne und gerade dringend weiterempfehlen möchte.