Rezension

Ein Geheimtipp

Das letzte Schaf - Ulrich Hub

Das letzte Schaf
von Ulrich Hub

Inhalt:
Am Tage laufen die Schafe wild hin und her und gerne durcheinander. Sie schubsen und drängeln. Erst recht wenn es ums Essen geht, gönnt keines dem anderen etwas. In der Nacht hingegen, da kuscheln sich alle Tiere dicht aneinander. Kein Schaf würde zugeben, dass es Angst vorm Dunkeln hat. Ihre Tage gleichen sich wie ein Ei dem andern. Und es geht ihnen nicht schlecht dabei. Nur an diesem einen trüben Wintertag im Jahre eins oder vier, da ist alles plötzlich ganz anders.
Als die Schafe in dieser Nacht in den Himmel schauen, entdecken sie einen hellen Stern. Kurz darauf erscheint eine riesige leuchtende Erscheinung, die singend verkündet: „Fürchtet euch nicht. Ich bringe euch eine frohe Botschaft!“ Verdattert blicken die Schafe auf die Stelle, wo das Wesen zuvor noch gestanden hat. Ganz klar! Das muss ein UFO gewesen sein.
Doch dann bricht das Chaos aus. Die Hirten, die stets auf die Schafe aufgepasst haben, sind plötzlich verschwunden und ein Schaf in der Herde fehlt!
Erst als das vermisste Schaf zurückkehrt, kann über die nahe Zukunft beraten werden. Denn andere Tiere munkeln, dass ein Kind geboren wurde. Der Herde ist klar, dass die Regeln des Althergebrachten gebrochen werden müssen. Denn sie wollen unbedingt auch das Baby sehen. Zudem müssen schließlich die Hirten gefunden werden!

Im Detail:
Wiederholung sorgt für Struktur und Sicherheit in der kleinen Schafherde. An Weihnachten wird aber alles völlig durcheinander geworfen. Die Hirten, die sich ihren Schafen stets liebevoll und ebenso kenntnisreich widmen, sind verschwunden und dann gibt es da noch dieses Gerücht von einem neugeborenen, hübschen Mädchen, das einfach jeder in der Nähe sehen möchte.
Die Schafe entscheiden sich spontan, eine Reise zu der mysteriösen Krippe zu machen, in der die fremden Besucher ihr Neugeborenes gebettet haben.
Es beginnt ein Abenteuer der besonderen Art. Eine Reihe an chaotischen Ereignissen. Immer wieder kommt ein Schaf abhanden, immer wieder erfahren die Schafe von einem neuen Gerücht. Mal geraten sie auf Abwege, oft scheinen sie auch vermeintlich ihrem Ziel näher zu kommen. Sie ahnen, dass das große Event schlecht organisiert ist, erfahren, dass das Catering mieserabel sein soll und müssen sich schon bald Gedanken über ein passendes Geschenk machen.
Die Geschichte ist eine Abfolge von Konflikten und Problemen. Das Schaf wächst aber mit seinen Aufgaben und lernt aus Erfahrung. Ängste lassen sich, so die Erfahrung der Herde, am ehesten mit einer konkreten Aufgabenstellung gemeinsam überwinden, sonst wird man von ihnen unterjocht.
So hatten die Schafe bislang immer Angst vor der Dunkelheit, doch wenn es dunkel ist, wird es doch eigentlich noch viel aufregender. Aktivitäten wie Nachtwanderungen sind für die meisten Herdenmitglieder eine Premiere.
Durch diese Geschichte erfahren die Tiere, aber auch der Leser, viel über die Entstehung der Weihnachtsgeschichte. Wer hat eigentlich das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“ erfunden? Was ist in dieser Nacht im Jahre eins (oder vier) wirklich passiert und wessen Futterkrippe war es eigentlich, in dem das Baby in dieser einen Nacht gebettet wurde? Natürlich sollten die Antworten auf diese Fragen, genau wie die Geschichte selbst, mit einem Augenzwinkern verstanden werden.
Erwähnenswert sind auch die vielen wundervollen, mit Liebe zum Detail, gezeichneten Illustrationen von Jörg Mühle, die diese spannende, humorvolle und abenteuerliche Geschichte von Ulrich Hub unterstützen.

Fazit:
Die Geschichte von Maria und Joseph und die Geburt Christi ist in vielen Varianten überliefert. Aber wohl selten so originell wie amüsant. 
Ulrich Hubs kleine Schafherde, bestehend aus einem Haufen eigenwilliger und chaotisch veranlagter Tiere, begibt sich in der ersten Weihnachtsnacht auf eine große Reise. Die Herde bricht an diesem Abend alle Regeln und Konventionen und begibt sich auf die Suche nach ihren verschwundenen Hirten und dem Standort der Krippe, in dem die frisch eingetroffenen Fremden ihr neugeborenes Baby gebettet haben sollen.
Ulrich Hubs beschwört eine Herden-/Gruppendynamik, wie sie sich die Macher von Coachingseminaren kaum ausgedacht haben werden. Und das wiederum bedeutet nicht selten Chaos und spannende Abenteuer. Der Autor nimmt uns Leser an die Hand, um zu zeigen, wie Ängste gemeinsam überwunden werden können.
Der humorvolle und zugleich spannende Schreibstil des Autors und die detailreichen Illustrationen des Zeichners machen dieses kleine Büchlein zu einem wahren Schatz im Bücherregal. Zu einem wundervollen Geschenk für Groß und Klein. Eine Buch mit einer wunderschönen Geschichte, die ich von ganzem Herzen weiterempfehlen möchte.

Buchzitate:
„Auf Besucher wie uns wird das neugeborene Kind gerade gewartet haben“, murmelt es. „Auf die Kranken, die Lahmen und die total Durchgeknallten. Solche Blindgänger wird es mit Kusshand begrüßen.“