Rezension

Ein gutes Buch

Muss ich das gelesen haben? -

Muss ich das gelesen haben?
von Teresa Reichl

Bewertet mit 4 Sternen

"In Deutschland lässt sich immer noch sehr gut Abitur machen, ohne ein einziges Werk von einer Frau (...) gelesen zu haben.“

Teresa Reichel ist Poetry Slamerin, hat Preise gewonnen und steht rund hundert Mal im Jahr auf der Bühne. Sie hat Germanistik und Anglistik studiert, um an Gymnasien zu unterrichten. Hier hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, den Literaturkanon zu diversifizieren. Die Liste von Büchern, die in den Schulen und Universitäten gelesen werden, seien alle von weißen Männern der oberen gesellschaftlichen Klassen verfasst. Das bemängelt und analysiert sie und macht Vorschläge, welche Bücher man in den Kanon mit aufnehmen sollte.

Die feministische Sicht auf einige bekannte Klassiker ist ein erhellender Perspektivwechsel. Was wir als große Menschheitsfragen in der Schule kennen gelernt haben, sind in Wahrheit Fragestellungen alter weißer Männer einer priviligierten Gesellschaftsschicht. Jede andere Literatur wurde unterdrückt. Reichl beschreibt, wie Frauen aktiv am Schreiben und Veröffentlichen gehindert wurden. Trotzdem haben sie geschrieben und publiziert, doch später wurden ihre Bücher verdrängt.

Nach den Frauen betrachtet sie andere "marginalisierte" Gruppen, deren Bücher in der allgemein bekannten Literatur kaum zu finden sind, wie zum Beispiel homosexuelle oder nicht-binäre Menschen, Menschen schwarzer Hautfarbe oder nichtchristlichen Glaubens und noch andere. Eine ausführliche Leseliste (auch online) und Quellenangaben vervollständigen das Ganze.

Der Stil ist respektlos und erfrischend. Die zahlreichen Fußnoten machen das Ganze sehr persönlich. Man spürt, dass es der Autorin sehr wichtig ist. Sie ist und war immer eine leidenschaftliche Leserin, und ihre Botschaft ist, dass Lesen toll ist. Deshalb ist das Buch nicht nur für den Deutschunterricht an Schulen und Unis interessant. Es ist ein Buch für alle, die Deutschunterricht hatten und sich darin immer wieder veralbert und dumm fühlten, und die dennoch genussvoll Bücher lesen.