Rezension

Ein Händchen für Stimmungen

Ein untadeliger Mann
von Jane Gardam

Bewertet mit 4 Sternen

Edward Feathers, genannte Old Filth, ist ein gut betuchter Anwalt in Rente, der einen großen Teil seines Lebens in Asien verbracht hat und sich nun mit seiner Frau Betty im ländlichen England zur Ruhe gesetzt hat. Sein Leben gilt unter seinen Kollegen als ausnehmend erfolgreich, aber ebenso geradlinig, konstant und langweilig. Doch das stimmt nur auf den ersten Blick.

Nach den ersten Seiten dachte ich schon „Oje“, da das Buch zu Anfang sehr zäh und sperrig daherkam. Doch nach etwa 30 Seiten hat sich das gelegt und die Story hat angefangen interessant zu werden. Das lag zum einen an den Sprüngen zwischen dem beschaulichen Jetzt in England und dem ereignisreichen Damals von Feathers Kindheit und Jugend. Zum anderen hat Jane Gardam mit den Raj-Weisen ein interessantes wie tragisches Thema gefunden, das schön durch den Roman trägt.

Hin und wieder kam es mir so vor, als setze Gardam beim Leser mehr Wissen voraus, als er tatsächlich hat. Das war einerseits verwirrend, andererseits hat das ein Gefühl der Zugehörigkeit mit dem Personal erzeugt. Auch der hier und da aufblitzende staubtrockene britische Humor war etwas Feines. Old Filth beim Autofahren oder der halbgare Ersatzname der Haushälterin, da er sich den richtigen nicht merken kann, fand ich zum schmunzeln. Wahrscheinlich gab es mehr solche Stellen, als ich entdeckt habe. Ein Highlight war für mich das Ende. Ich stelle es mir unheimlich schwer vor gute Enden zu schreiben und tatsächlich gibt es nicht viele die mich begeistern. Das hier aber war eins. Geschickt schlägt Gardam den Bogen zurück zum Anfang des Romans und schafft es dabei auch noch so etwas wie Ironie des Schicksals einzubauen.

Ein untadeliger Mann ist mit Sicherheit kein Pageturner und kein Buch zum entspannen und abschalten. Aber irgendwie hat es was. Die Themen und besonders die Charaktere sind durchaus gelungen und Gardam kann schreiben. Ich habe keinen konkreten Punkt an dem mich das Buch total gepackt hat und trotzdem will ich unbedingt den folgenden Teil über Betty lesen. Die Beziehung zwischen Edward und Betty wurde hier zwar nur gestreift, aber allein das hat schon große Lust auf mehr gemacht. Gerade für Stimmungen und Ungesagtes scheint Gardam ein Händchen zu haben.

Kommentare

UJac kommentierte am 17. März 2016 um 20:12

Sehr schöne Rezi!! Geht mir ähnlich mit dem Buch. Und ich finde die Idee richtig gut, hier eine Trilogie zu schreiben, jeweils aus der Sicht eines anderen Protagonisten. Ich bin auch schon auf die Story aus Sicht von Betty gespannt.

katzenminze kommentierte am 18. März 2016 um 20:15

Danke. :)

Weißt du auch um wen es im letzten Teil geht? Veneering? Oder eine der Cousinen? Oder Isobel? Wäre eigentlich alles interessant. Sicher, dass es nur als Trilogie angelegt ist? :D

UJac kommentierte am 18. März 2016 um 23:23

Soweit ich weiß, wird es eine Trilogie und der dritte Teil wohl aus Sicht von Veneering.

 

Naibenak kommentierte am 18. März 2016 um 11:20

Tolle Rezi, Minzi :-) Macht total neugierig... bald bin ich auch an der Reihe und schon sehr gespannt, was ich von diesem Buch halten werde! Danke dir!

katzenminze kommentierte am 18. März 2016 um 20:12

Danke. ^.^ Ich hab es wahrscheinlich schon 100 Mal gesagt, aber ich bin auch echt gespannt, wie Old Filth noch so ankommt. Lange musst du ja nicht mehr warten. :)