Rezension

„Failed In London Try Hong Kong“

Ein untadeliger Mann
von Jane Gardam

Bewertet mit 4 Sternen

„Failed In London Try Hong Kong“

Edward Feathers hat viele Namen, Sir Edward, Eddie Teddy, Fevvers, Feathers, aber bekannt und berüchtigt ist er als Filth, später als Old Filth.

Filth schaut auf ein bewegtes Leben zurück, Urgestein der Juristerei, Anwalt der Krone, Richter,  Stotterer, leidenschaftsloser Ehemann, ungeliebtes Kind, Raj-Waise.

Tadellos, distinguiert, elegant, bloß nicht zu bourgeois, zynisch und mürrisch.

In den Kolonien in Fernost geboren - die Mutter verstirbt  bei der Geburt  - wird Edward als Kleinkind vom Vater missachtet und zu einer bezahlten Pflegefamilie zurück nach Großbritannien verschifft. Die schrecklichen Dinge, die er in Wales erlebt, prägen ihn sein ganzes Leben. Erst mit acht Jahren, nach dem Tod  der Pflegemutter, erlebt Edward das erstmals so etwas wie Familie, wenn er die Schulferien bei seinem Freund Pat Ingoldby verbringen darf. Mit Pat verbindet ihn eine tiefe Seelenverwandtschaft. Als jedoch der Krieg ausbricht, ändert sich alles. Freundschaft, Schulausbildung, Studium in Oxford, alles dahin Der ihm unbekannte Vater lässt Eddie noch mit knapp 18 nach Singapur evakuieren, Edward schämt sich dafür. Doch Singapur ist  gefallen, Eddie landet schwer krank wieder in England. Der Army beigetreten, landet er bei der Leibwache für Queen Mary, weil er stottert. „Das gibt sich“, sagt sie zu ihm. „Ich kenne einen Jungen, der ist wie Sie.“

Als Edward nach dem Krieg Anwalt wird, ergreift er die Chance nach Hongkong zu gehen, und dort erfolgreich zu werden. Erst im Alter kehrt er nach England zurück, lebt zurückgezogen mit seiner Frau Betty in den Donheads.

Die Ehe mit Betty ist ohne Begehren, zweckmäßig, kinderlos. Aber als Betty im hohen Alter stirbt, beginnt Edward sie zu vermissen, führt imaginäre Dialoge mit ihr. In seiner Einsamkeit schließt er sogar Freundschaft zu seinem ehemaligen beruflichen Rivalen (und Liebhaber Bettys) Terry Veneering, knüpft nach Jahrzehnten wieder Kontakte zu seinen Cousinen, mit denen er die Jahre als Kind in Wales verbracht hat.

Edward lässt vor seinem Tod die Vergangenheit Revue passieren, um endlich auszusprechen, was seit seiner Kindheit auf ihm lastet.

„Die Memoiren alter Kronanwälte sind doch allesamt sterbenslangweilig….Ich habe mir ein Image aufgebaut….war harte Arbeit. Da werde ich doch jetzt nicht daran rütteln.“
„Sie meinen, an sich selbst rütteln?“
„Ja, wahrscheinlich. Trinken Sie doch noch einen Schluck....“

Jane Gardam lässt in ihrem ersten Teil der Old Filth Trilogie Edward Feathers Leben in vielen Zeitsprüngen und Rückblenden aufrollen.  Wie weit prägt eine unglückliche Kindheit ein Leben, was kommt aus einem selbst, was tragen die Umstände dazu bei. Edward Feathers ist ein Bild von einem Mann, emotional zurückhaltend bis zur Sprachlosigkeit. Er hält sich in Zaum, seine wenigen Begehrlichkeiten gehen nicht gut für ihn aus. Zurück bleibt letztlich nur ein alter einsamer Mensch.

Erstaunt war ich über die Praxis der Raj-Waisen, Kinder aus den Kolonien einfach ins Heimatland zu Pflegefamilien zu schicken. Selbst dann, wenn die Eltern lebten, war das offenbar eine nicht unübliche Vorgangsweise. Die Szenen, in den Edward als Kleinkind oder junger Bub beschrieben wird, fand ich sehr berührend. Eine Kindheit ohne liebevolle Begleitung  geht mir immer sehr nahe, egal an welchem Ort oder Zeit.

Besonders neugierig bin ich nun auf “Eine treue Frau“ und „Letzte Freunde“, die beiden anderen Bücher der Trilogie, jeweils aus Betty beziehungsweise aus Veneerings Sicht geschrieben, und darauf ob diese Bücher meine Sicht auf Edward „rütteln“  werden.

Kommentare

Arbutus kommentierte am 01. Juli 2017 um 09:28

Schön geschrieben. Aber ich finde, Du verrätst ein bisschen zu viel.

Arbutus kommentierte am 01. Juli 2017 um 09:28

Schön geschrieben. Aber ich finde, Du verrätst ein bisschen zu viel.