Rezension

Ein wirklich spannender historischer Krimi!

Abels Auferstehung -

Abels Auferstehung
von Thomas Ziebula

Bewertet mit 5 Sternen

Leipzig 1920: Inspektor Stainer ermittelt...

Mit dem Buch „Abels Auferstehung“ von Thomas Ziebula habe ich Paul Stainer kennengelernt, es ist der 2. Band einer Reihe (1. Band: „Der rote Judas“), aber ich kam ohne große Schwierigkeiten in die Geschichte, der Autor hat es perfekt verstanden, vorhergehende Ereignisse für uns „Neulinge“ verständlich in die Handlung einzuführen.

Leipzig 1920: die Spuren des 2. Weltkrieges sind immer noch deutlich zu merken, noch sind nicht alle Männer aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt – bei vielen weiß man noch nicht, ob man noch hoffen darf...

Die Journalistin Marlene ist eine von ihnen, sie wünscht inständig, dass ein Toter, der bei Basel aus dem Rhein gezogen wird, NICHT ihr Bruder ist – obwohl ein edles Zigarettenetui auf eine Leipziger Vergangenheit deutet. Aber ihr Bruder hat nie geraucht und auch sonst deutet nichts auf die Identität ihres Bruders. Sie beschließt, über den unbekannten Soldaten einen Artikel zu schreiben und beginnt mit den Recherchen...

Paul Stainer ist selbst vor drei Wochen aus der Gefangenschaft zurückgekehrt, er hat Glück gehabt, dass seine Krankenakte nicht zur Polizeidirektion geschickt wurde, denn „einen von Zitteranfällen, Panikattacken und Gedächtnisstörungen geplagten Kriegsneurotiker“ (S. 67) wäre nicht wieder eingestellt worden. Außerdem trauert er um seine Frau Edith, die gerade erschossen wurde.

Da lenkt ihn ein Mordfall von seiner Trauer und seinen Problemen ab: in einem Hotel wurde ein Maler aus Heidelberg erstochen aufgefunden. Schnell stellt sich heraus, dass der junge Mann in Leipzig studiert hat – und außerdem war er offensichtlich am Tag vorher bei einer Mensur verwundet worden (sehr informativ fand ich die Beschreibungen über Mensuren als Tradition bei schlagenden Studentenverbindungen!). In seinem Gepäck hat er ein Bild mit dem Titel „Rhein bei Basel“ - besteht ein Zusammenhang zwischen dem Toten in Basel und diesem Mord? Paul Stainer, sein junger Kommissarsanwärter Siegfried Junghans (sehr sympathisch, ich hoffe, der Junge wird es noch weit bringen!) und sein neuer Kollege Joseph Nürnberger (kennt sich in Spurensicherung gut aus) stehen immer wieder vor neuen Rätseln... Paul erinnert sich häufiger an einen Spruch von einem Abreißkalender, den er in der Wohnung seiner toten Frau gefunden hat: „Man sieht nur, was man weiß“ (Goethe) – dies zieht sich wie eine Art Mantra durch die Ermittlungen.

Mir hat ausgezeichnet gefallen, wie der Autor uns Leser*innen in das Leben in Leipzig zur damaligen Zeit mitnimmt und eintauchen lässt: immer wieder zeichnet er präzise auf, was die Menschen damals bewegt hat: die schlechte Versorgungslage, die Schwierigkeiten von Frauen, die jetzt ihre mühsam erkämpften und zum Überleben notwendigen  Arbeitsplätze nun plötzlich wieder an die heimgekehrten Männer abgeben müssen, die politisch instabile Situation (Kommunisten und konservative Kaisertreue bekämpfen sich, bemerken aber nicht, dass sich noch größeres politisches Unheil anbahnt), der aufkommende Antisemitismus, der Stolz der Frauen auf das erkämpfte Frauenwahlrecht. Eine junge Nachtklubbesitzerin und die schon erwähnte Journalistin sind gute Beispiele für damalige emanzipierte Frauen.

Das Buch hat m.E. meine beiden Ansprüche an historische Krimis perfekt miteinander vereint: historisch gute (und sorgfältig recherchierte) Beschreibungen über Sorge und Nöte der Bevölkerung und einen spannenden Kriminalfall, bei dem ich lange Zeit vollkommen im Dunklen getappt bin. Die Lösung war (für mich) überraschend, aber logisch und nachvollziehbar – insgesamt ein wunderbares Leseerlebnis, dass ich sehr gern weiterempfehle.

Ich kann die Wartezeit bis zum 3. Band sehr gut mit dem „roten Judas“ überbrücken, dass schon lesebereit in meinem Bücherregal steht – für die anderen heißt es leider: warten...!