Rezension

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Eine besondere Lektüre

Das Gesicht der Anderen - Fabian Eder

Das Gesicht der Anderen
von Fabian Eder

Margarete Boll ist schön und umschwärmt und 17 Jahre alt als ihr bisheriges Leben jäh zerbricht. Während eines Gartenfestes löst sich ungewollt ein Schuss aus einer neuen Waffe ihres Vaters, dessen Firma Waffen fertigt, und trifft Margaretes Gesicht. Von ihrem Gesicht ist seitdem so gut wie nichts mehr übrig und Mararete ist schrecklich entstellt. Doch die Tragik geht noch weiter. Der Vater erleidet nach diesem Vorfall einen Herzinfarkt, er erholt sich zwar wieder, aber seine Ehefrau zerbricht am Geschehen und meidet ihn.. Als die beiden ihre Tochter im Krankenhaus besucht haben, rast Margaretes Vater mit seiner Frau mit dem Auto in den Tod. Margarete ist seitdem nun auch noch Vollwaise. Sie trägt eine Maske, die ihre Entstlellungen verbergen, aber sie ist dennoch völlig isoliert und einsam. Sie legt ihr Abitur ab, beginnt ein Studium, aber alles einsam und verlassen im familieneigenen Schloß, abgegrenzt von der nahen Ortschaft. Ihr einziger sozialer Kontakt ist die treue, ältere Hausangestellte Anna, die schon sehr lange bei den Bolls angestellt ist. Margarete weiß, daß Anna sie irgendwann verlassen wird, Anna wird sterben und dann ist sie ganz allein. Sie sehnt sich nach Liebe und Zuwendung. Durch einen Internet-Chat treibt sie ein gefährliches Spiel. Sie läßt sich mit einem unbekannten Mann ein. Die Chats werden sehr intim und der Mann schlägt ein persönliches Treffen vor. Margarete willigt schließlich ein, zu sehr ist das Verlangen nach menschlicher Nähe. Dieses Treffen endet leider sehr schmerzhaft für Margarete und danach versucht sie sich in ihrer Verzweiflung das Leben zu nehmen. Sie wird jedoch gerettet. Ein Mann kann sie in letzter Sekunde davon abhalten und wiederbeleben. Nachdem sich Margarete körperlich erholt hat, steigert sie sich in eine Verliebtheit in ihren Retter hinein. Er hat sie ohne die Maske gesehen, die ihr Äußeres verbirgt und er hat sich nicht von ihr abgewendet. Margarete ist sehr enthusiastisch. Hein Schuberth, Sänger und ihr Retter könnte ein Ausweg aus ihrer Isolation sein. Sie sucht seine Nähe und scheint trotz der 36 Jahre Altersunterschied eine verwandte Seele gefunden zu haben. Die beiden werden tatsächlich ein Paar. Doch Hein Schuberth hat dunkle Seiten und Geheimnisse, die Margarete offenbar ausblendet.

Zeitgleich verändet sie sich zusehends. Hager, den treu ergebenen Geschäftsführer will sie aus der Firma drängen. Sie will die Macht an sich reißen. Ihre mütterliche Hausangestellte Anna, die sie doch eigentlich sehr liebt, weist sie in die Schranken zurück und schließlich- Margarete wagt sich in die Öffentlichkeit. Sie entwickelt in sehr kurzer Zeit ein immenses Selbstvertrauen. Ihr Reichtum hilft ihr dabei. Ihr Anderssein durch ihr "fehlendes Gesicht" und die ihr genommene Fähigkeit der Mimik machen die Menschen unruhig und unsicher. Niemand kann sie durchschauen und eben dies weiß Margarete. Vom bemitleidenswerten Mädchen entwickelt sie sich rasant zur kaltblütigen, machtbesessenen und skrupellosen Frau, die längst ihren Plan geschmiedet hat, doch sie ahnt noch nicht, welche dramatische Entwicklung ihre Liaison mit Hein bringen wird.

Der Roman liest sich sehr gut. Er ist flott, interessant und spannend geschrieben. Faszinierend und abstoßend zugleich - genau wie Margaretes Gesicht bzw. ihre Maske, Die Entwicklung im Roman ist rasant und die Spannung nimmt dementsprechend auch stetig an Fahrt auf. Einerseits möchte man Margarete bemitleiden, andererseits stößt sie einen durch ihr Verhalten und ihre herrrische Art ab. Unverständnis zeigt man, als sie die Liaison mit Hein beginnt. Man möchte ihr helfen, ihr die Augen öffnen, aber anderseits möchte man aber auch, daß dieses scheinbar herzlose neureiche "Gör" auf die Nase fällt. Nur weil ihr Reichtum es ihr erlaubt, denkt sie, daß sie mit Menschen nach Belieben umspringen kann. Die 4 Jahre der Isolation haben ihr nicht gutgetan. Doch am Ende zeigt sie wieder Menschlichkeit und auch wieder eiskalte Berechnung und es wird klar wie sehr sie sich nach echter Liebe sehnt.

Ein bemerkenswerter Roman, trotz drastischer Details und einer Protagonisten, die man eigentlich nicht ins Herz schließen kann. Vieles klingt aber auch noch recht lange nach, denn es werden moralische und ehtische Aspekte angesprochen, bei denen man überlegt, wie man selbst entscheiden würde. Wie lebt es sich mit einem solchen Gesicht und nebenbei wie kann man es verantworten, Waffen zu verkaufen, Waffen zu entwickeln, die so Unsägliches anrichten. Fazit: Eine Lektüre, die auf jeden Fall etwas Besonderes ist.