Rezension

Zu hastig

Das Gesicht der Anderen - Fabian Eder

Das Gesicht der Anderen
von Fabian Eder

Bewertet mit 2 Sternen

Inhalt

Margarete Boll führte ein wohlbehütetes Leben, sie war für jeden eine Freude, sah sie doch wie ein Engel aus, ihr sanftes Wesen konnte jeden Streit schlichten.
Jeder liebte sie und Sorgen hatte sie keine, ihr Leben war geregelt.
Ihr Vater war der Besitzer einer Waffenfabrik mit Familientradition, er verfolgte eine Vision, seine Waffen waren auf dem Markt führend.

Und dann ereignete sich das unvorstellbare. Zur Entwicklung des neusten Modells, der Chamäleon, gab ihr Vater eine große Feier, er wollte sein neustes Werk persönlich vorstellen. Die lautlose Waffe mit hoher Präzision und Durchschlagskraft.
Doch scheinbar war der Prototyp fehlerhaft, ein Schuss löste sich aus der gesicherten Waffe und die Kugel fraß sich mitten durch Margaretes Gesicht, zerstörte ihre gesamte Mund und Nasenpartie, als. sie lautlos zu Boden sank.

Als ihr Vater endlich verstand, was geschehen war, sank er zu Boden, erlitt einen Herzinfarkt, ihre Mutter bekam beim Anblick ihres Gesichts eine Art Nervenzusammenbruch.
Doch zum Glück war der nächste Rettungshubschrauber nicht weit, Margarete und ihr Vater wurden sofort ins Krankenhaus gebracht, die Mutter folgte später in einem Rettungswagen.
Margaretes Leben konnte gerettet werden, doch sie würde für immer entstellt bleiben, ihre Stimme war nicht mehr als ein heiseres Krächzen, der Mund eine Öffnung aus Hautlappen.

Der Vater konnte mit der Schuld nicht weiter leben, kaum aus dem Krankenhaus entlassen fuhr er sich und seine Frau absichtlich zu Tode.
Alles was Margarete noch blieb war ihr Haushälterin Anna und Herr Hager, der das Unternehmen leitete und sich auch um ihre Belange kümmerte, so zum Beispiel eine von einem Künstler entworfene Maske, die es ihr erlauben sollte das Haus zu verlassen.

Margarete ist einsam und fühlt sich ungeliebt, daher sagt sie einem geheimen Treffen mit einem unbekannten aus dem Internet zu. Sie weiß, dass er älter ist als sie, doch das kümmert sie nicht.
Es kommt, wie es kommen muss, er vergewaltigt sie und nur der Schmerz bleibt zurück, sie will nicht mehr leben, doch als sie sich in ein eiskaltes Gewässer stürzt, rettet sie Hein Schuberth. Er ist Musiker und er schreckt nicht vor ihrem Gesicht zurück.
Er rettet ihr das Leben und bringt sie nach Hause. Margarete muss ihn unbedingt wieder sehen!!!
Er wird ihr viel geben und noch mehr nehmen...

Meine Meinung

Fangen wir mit dem Schreibstil an. Wie schon in der Einleitung erwähnt, ist dieser sehr kühl gehalten.
Margarete ist ein sehr rational denkendes Wesen, das dazu neigt alles und jeden zu analysieren, schließlich hat sie viel Zeit sich um so vieles Gedanken zu machen.
Doch dann kommen sehr naive Züge zum Tragen, die einen gewissen Bruch darstellen. Ich bin eigentlich ein absoluter Fan von Kontrasten, denn nur Kontraste und Widersprüchlichkeiten machen Figuren plastisch, lebendig, können uns einen Draht zu ihnen geben.Hier leider sind die Widersprüchlichkeiten zu krass.
Wie kann ein so intelligentes Mädchen wie Margarete auf den Vergewaltiger hereinfallen? Insbesondere wenn es scheinbar schon sehr erotische Unterhaltungen zwischen ihnen gegeben hat? Mit Einsamkeit kann ein absolutes Ausschalten der eigenen Sicherheitsmechanismen nicht erklärt werden, besonders nicht bei einer Person, deren Schutzmauern so hoch gezogen sein müssten.

Was mir auch sehr aufgefallen ist, ist die Szene des Unfalls. Kalt, emotionslos und sehr sachlich wir in jeder Einzelheit beschrieben, wie das Projektil sich durch Margaretes Gesicht arbeitet, dabei wird die Funktionsweise der Waffe und des Geschosses fachlich erklärt. Klingt grausam? Ja, das ist es aber hier hat dieser Schreibstil etwas sehr besonderes. Und zwar wird die Dramatik durch die Kälte erhöht. Zu erfahren, wie das Projektil wirkt macht alles erschreckender, mir persönlich hat dies sehr gut gefallen.

Die Geschichte an sich ist in einigen Punkten meiner Meinung nach nicht allzu gut durchdacht, lässt sich jedoch gut verfolgen, sofern man sich erst einmal an den Schreibstil gewöhnt hat.
Einige Punkte bringen das Lesen ein wenig zum Stoppen.
Als sich Margarete ins Wasser stürzte, musste ich die Szene zweimal lesen, aufgrund von Brüchen hatte ich gar nicht mitbekommen, dass sie einen Selbstmordversuch vorhatte. Erst nachdem ich das Ganze ein zweites Mal gelesen hatte, war nun alles klar.
Dies geschieht einfach, weil der Akt der Vergewaltigung hier noch nicht beschrieben wird, dadurch kommt man aus dem Konzept.
Ein wenig nervig fand ich jedoch die Geschichte mit ihrem Retter. Gerade gnadenlos enttäuscht wirft sie sich dem nächsten an den Hals. Dies ist für mich nicht realistisch. Auch wenn Hein ihr Retter ist, so würde man doch hier Vorsicht walten lassen, gerade als analysierendes Wesen mit Verstand, als das sie eigentlich beschrieben wird.
Zwar beginnt nun bei ihr eine positive Entwicklung was ihr Selbstvertrauen angeht, sie entdeckt, welche Macht sie hat, doch auch dies geschieht mir persönlich zu schnell. Selbstvertrauen wird aufgebaut und entsteht nicht plötzlich über Nacht aus dem Nichts.
Ich denke, wenn sich der Autor ein wenig mehr Zeit für diese Entwicklung genommen hätte, dann wäre dieser Abschnitt vielleicht herausragend geworden.

Dies gilt übrigens für mehrere Punkte in der Geschichte. Mehr Zeit für das Näherkommen mit dem Musiker, mehr Zeit für ihre Entwicklung, mehr Zeit für das Ende. Es ist als würde der Autor durch die Seiten hetzen um seinen Abgabetermin nicht zu verfassen, ein wenig mehr hätte hier meiner Meinung einfach viel deutlicher Wirkung gezeigt.

Das Ende ist übrigens der größte Spannungsmoment, der jedoch viel kurz ist. Es bleiben Fragen offen, wir können einiges nicht verstehen und zwar nicht die Handlung selber sondern die Beweggründe. Wir können zwar darüber spekulieren, doch dies ist in diesem Fall unbefriedigend.
Auch eine Reaktion von Seiten Margaretes fehlt und die wäre für die dramatische Handlung schon wünschenswert gewesen.
So ist das Ende zwar in gewisser Weise ein Abschluss, jedoch keiner der mir gefällt auch hier hätten schon wenige Details das Ganze gut abgerundet.

Mein Exemplar war ein unkorrigiertes, unverkäufliches Leseexemplar, das broschiert war, ich hoffe die gebundene Ausgabe ist tasächlich ein Hardcover, auch wenn da der Preis immer noch ein wenig zu hoch wäre.

Fazit

Eine gute Idee, die leider einiges aufgrund einer zu hastigen Schreibweise an Potential verloren hat. Viele Dinge passieren zu hastig, vielleicht um das Tempo zu steigern, verlieren dabei jedoch an Glaubwürdigkeit.
Für mich persönlich ist das Buch zu straff gehalten.
Lustigerweise wäre ich schon in Versuchung das nächste Buch des Autoren zu lesen, da ich denke, dass das Grundkonstrukt seiner Geschichte wirklich gut ist, die Umsetzung ist nicht nach meinem Geschmack. Ein Autor muss auch erst seinen Stil finden, daher wäre es interessant die Entwicklung mit zu verfolgen.