Rezension

Eine Dreizehnjährige, die Auftragsmörder anheuert?

Das Dorf der toten Herzen - Agustín Martínez

Das Dorf der toten Herzen
von Agustín Martínez

Bewertet mit 3 Sternen

Weil Jacobo Escudero seinen Job verloren hat, zieht er mit Frau und Tochter Miriam In Irenes Elternhaus nach Portocarrero, ein gottverlassenes Dorf am Rande der Wüste. Die Überreste ehemaliger Filmkulissen und ein kriselnder Wildwest-Park bieten keinerlei Aussicht auf regelmäßige Arbeit. Ein älteres Haus instandzusetzen, indem sich bereits der Wüstensand aus Afrika sammelt, liegt Jacobo auch nicht besonders. Die 13-Jährige Miriam fühlt sich von den Dreien am stärksten wie mitten in der Wüste ausgesetzt und verbringt die meiste Zeit beim Texten am Handy mit zwei älteren Jugendlichen. Als das Haus der Familie überfallen wird (Irene stirbt bei dem Überfall, der verletzte Jacobo kämpft sich über Monate hinweg ins Leben zurück), gerät Miriam in Verdacht, Auftragsmörder auf ihre Eltern angesetzt zu haben. Die Verdächtigen sollen sich sofort nach der Tat ins Ausland abgesetzt haben. Miriams WhatsApp-Nachrichten scheinen eine klare Sprache zu sprechen, und ihr war offensichtlich bewusst, dass sie erst mit 14 Jahren strafmündig sein würde. Jacobo ist nicht gerade ein zuverlässiger Zeuge, beharrt jedoch darauf, dass drei Männer den Überfall auf Irene und Ihn begangen haben.

Die Anwältin Nora vertritt derweil couragiert als Rechtsbeistand Miriams Interessen, die vor dem Gerichtsverfahren noch in einer Jugendeinrichtung in Untersuchungshaft sitzt. Nora stürzt sich wutentbrannt auf den ermittelnden Kriminalbeamten Almela, der nicht verhindert hat, dass der Chatverlauf an die Presse gelangte. Die Einwohner Portocarreros haben Miriam deshalb bereits vorverurteilt, so dass Nora fürchtet, das Mädchen würde kein faires Verfahren erwarten. Jeder der Beteiligten, auch Nora, hat etwas zu verbergen, niemandem kann man glauben, was behauptet wird. Dass Roubio, der einzige Arbeitgeber im Dorf, alle Fäden in der Hand zu haben scheint, macht den Fall für Almela und Nora nicht leichter. Bis Leser und Ermittler hinter die Fassaden geblickt und Verbindungen zwischen den Beteiligten entwirrt haben, vergeht noch eine Weile.

Beiträge von drei Icherzählern (Jacobo, Miriam und Nora), Rückblenden, der Chat der Jugendlichen und die Sicht eines allwissenden Erzählers geben eine Situation wieder, in der nichts ist, wie es scheint. Die Handlung umfasst knapp 2 Jahre. Agustín Martínez schreibt stilistisch ansprechend und kann in wenigen Worten eine Stimmung oder eine Landschaft vor den Augen seiner Leser entstehen lassen. Der Begriff Wüste steht hier für die Landschaft, aber auch für die innere Leere der Figuren. In Martínez' zweitem Kriminalroman hat mich der Gewaltlevel gestört (noch nach dem Überfall schlagen sich einige Personen gegenseitig die Köpfe ein), den ich für die Handlung überflüssig fand, und das Handeln der drei Escuderos, die lange passiv in einer aussichtslosen Situation verharren, fand ich alles andere als logisch.