Rezension

Eine tiefsinnige Geschichte über prägende Lebenserfahrungen

Ich an meiner Seite - Birgit Birnbacher

Ich an meiner Seite
von Birgit Birnbacher

Bewertet mit 4 Sternen

Arthur Galleij, geboren im Mai 1988, wird 2010 nach etwas mehr als zwei Jahren Haft entlassen. Dazwischen war ein junges Leben.

Sein Vater Ramon haute ab und ließ seine Frau Marianne, mit seinen Söhnen Arthur und Klaus zurück. Während Klaus etwas widerspenstiger ist, war Arthur von Beginn seines Daseins an glücklich. Klaus hingegen trug sein erstes Lächeln, als er mir sechs seine Schultüte voller Smarties bekam. Marianne arbeitet viel, um die Kinder durchzubringen, die sie so liebt.

Arthur lächelt im Schlaf, wenn Marianne spätnachts aus der Schicht kommt und das Licht im Flur abdreht, sich vor sein Bett auf den Teppich kniet und ihm durchs Haar streicht, ihn leise und sanft küsst, noch einmal küsst, und noch einmal! Längst ist er wach, aber er möchte nicht stören. S. 30

Die resolute Marianne findet einen neuen Partner und deswegen zieht die ganze Familie nach Spanien, um ein Hospitz für die Reichen unter den Todgeweihten ins Leben zu rufen. Kurz nachdem der taube Budenbesitzer Domingo Arthur übers Ohr haut, möchte Arthur so richtig ausflippen, das klappt aber nicht. Seine Mutter hatte ihnen so oft eingebleut, dass sie lieb sein sollen, lieb zu ihren Mitmenschen und verständnisvoll. Ja und jetzt hat Arthur eben eine Sprechstimme im Kopf, die ihm Anweisungen gibt, allerdings eine von der Sorte, die auch freundlich bitte sagt. 

Für Klaus und Arthur geht bald alles schief in Spanien. Klaus geht als erster zurück, nach Wien zu seiner Großmutter. Arthur lernt die glorreiche Grazetta kennen, sie ist eine Kundin des Hospitz, ist an ALS erkrankt und wird nicht mehr lange leben. Ihr gesundes Leben lang stand sie auf den Bühnen dieser Welt und spielte ihre Rollen. 

Fazit: Die Geschichte wird von dem allwissenden Erzähler präsentiert. Ich mag die Technik, die mitten in einem Kapitel abbricht und eine neue Szene entwirft. Die Sprache ist eigen und besonders. 

Auf dem Golfplatz, den man hinter der Siedlung kräftig grün in die Steppe gekotzt hat, spielt niemand. S. 109

Die Autorin hat Arthurs Persönlichkeit fein gezeichnet. Er zerbricht nicht an den Dingen, die ihm passieren, obwohl sie zutiefst erschütternd sind. Birgit Birnbacher hat einen sensiblen Kämpfer erschaffen, der seinen Sinn für Humor nicht verliert. Sie hat ihm illustre Gestalten an die Seite gestellt, die ihn stärken und begleiten. Gestalten die, aus anderen Gründen als er, ebenso traumatisiert sind, wie Arthur selbst. Letzten Endes ist es eine tiefsinnige Geschichte über prägende Lebenserfahrungen und wie wir damit umgehen.