Rezension

Eine unerwiderte Liebe und die Folgen

Der Fjord schweigt - Gabriele Popma

Der Fjord schweigt
von Gabriele Popma

Bewertet mit 5 Sternen

„...Man soll die Vergangenheit ruhen lassen. Du reißt nur alte Wunden damit auf...“

 

Annika verabschiedet sich auf der Palliativstation von ihrem Vater. Der fordert Iris, seine zweite Frau, auf, Annika einen Briefumschlag zu geben. Sie weiß, dass Kerstin, Annikas Mutter, dagegen wäre.

Als Iris mit Annika allein ist, fällt das Eingangszitat. Nach langem Zögern übergibt Iris doch Annika die Dokumente. Und die fällt aus allen Wolken, als sie liest, dass sie einen Zwillingsbruder hatte, der als Kleinkind bei einem Urlaub in Norwegen verstorben ist.

Annikas Fragen werden sowohl von der Mutter als auch von Iris abgeblockt. Daraufhin entschließt sich Annika, an den Ort des Geschehens zu fahren und einige Tage in Norwegen zu verbringen.

Die Autorin hat einen spannenden Gegenwartsroman geschrieben. Was wie eine geheimnisvolle Familiengeschichte beginnt, entwickelt sich bald zu einem rasanten Krimi.

Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.

Wie es der Zufall (oder die Autorin) so will, macht Annika in derselben Hütte Urlaub, die damals auch ihre Eltern gemietet haben. Als Annika das Gästebuch in die Hand nimmt, ahnt sie nicht, dass eine weitere überraschende Entdeckung auf sie wartet. Ihre Elten haben ihr nicht nur die Existenz des Zwillingsbruders verschwiegen.

Auf geschickte Art und Weise rollt die Autorin nach und nach die Vergangenheit auf. Einerseits lernt Annika die Brüder Erik und Jan kennen, deren Familie die Hütte gehört und die sie nicht nur mit der norwegischen Landschaft vertraut machen, sondern bereit sind, sie bei der Beantwortung ihrer Fragen zu unterstützen. Andererseits ist Kerstin nun bereit, ihrer Tochter am Telefon Episoden aus ihrem Leben zu erzählen. Im Mittelpunkt dessen steht der junge Norweger Morten, der in Kerstin verliebt war, sie aber nicht in ihn, was sie ihm auch deutlich gesagt hat. Da er allerdings mit Stefan, Kerstins Mann, befreundet war, ließen sich Begegnungen nicht immer vermeiden. Eine seiner Antworten lautet.

 

„...Du hast mir mein [...] Herz gebrochen, wie einen Ast auf den Weg, den man zur Seite schleudert...“

 

Gut wird die raue Landschaft Norwegens beschrieben. Dafür findet die Autorin passende Metapher.

Doch nicht nur in Annikas Familie hat die Trauer das Leben geprägt, denn nach dem Tod des Sohnes war Kerstin nicht mehr dieselbe. Auch Jan und Erik haben damit zu kämpfen, dass sie in jungen Jahren die Mutter verloren haben.

Die Autorin hat ein kompliziertes Geflecht aus Schuld und Lügen aufgebaut, deren eigentlicher Hintergrund sich erst nach und nach erschließt. Plötzlich ist nichts mehr so, wie es scheint.

Natürlich ist auch die junge Generation nicht vor Gefühlschaos gefeit. Sowohl Jan als auch Erik rechnen sich bei Annika Chancen aus. Die macht aber beiden klar, dass sie keine Beziehung will. Manchmal jedoch spielt das Leben anders.

Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen.