Rezension

Einnehmende, emotionale Hotelerie Geschichte

Palais Heiligendamm - Ein neuer Anfang -

Palais Heiligendamm - Ein neuer Anfang
von Michaela Grünig

Bewertet mit 4 Sternen

Elisabeth steht am Strand und blickt auf das Palais Heiligendamm, der ganze Stolz der Familie Kuhlmann. Sie spürt ihr Herz springen bei dem Gedanken, wohin das neue Hotel die Familie führen wird, die dafür ihr Leben in Berlin aufgegeben hat. Sie spürt die Sonne auf der Haut und einen wohligen Schauer. Ihr Vater führt lieber ihren Bruder Paul in die Geschicke des Hotelmanagements ein als sie, aber das wird sie nicht aufhalten alles für das Hotel zu opfern. Sie sieht einen Sturm aufziehen in weiter Ferne und die Wolken färben sich dunkel. Grau überzieht den Himmel rasch und Elisabeth sieht sich gezwungen angesichts des Wetterumschwungs zurück zum Palais zu kehren, aber der Regenschauer erwischt sie, bevor sie sich in Sicherheit wähnt. Donnergrollen in der Ferne lässt vermuten, dass das erst der Anfang war und das Unwetter noch folgen wird.

Genau dieses Szenario hat mich beim Lesen von "Palais Heiligendamm- Ein neuer Anfang" von Michaela Grünig begleitet: Es fühlt sich an wie ein Urlaub am Strand in einem luxuriösen Palais im im Angesicht der goldenen 20er bei strahlendem Sonnenschein und dann wiederum wie ein andauernder Regenschauer, bei dem die Sonne als unrealistisches Szenario im Hintergrund verblasst. Sanft und zugleich tragisch führt Michaela Grünig den Leser in die Familie Kuhlmann ein, die sich trotz großer Konkurrenz in Heilgendamm etablieren wollen. Der Vater eine Koryphäe in der Branche und siegessicher. Sein Sohn Paul kann diese Fußstapfen bereits jetzt nicht ausfüllen und so hilft ihm seine Schwester Elisabeth mit Rat und Tat, weil sie selbst für die Hotellerie brennt. Als das Palais in Schieflage gerät, muss sich Vater Kuhlmann in letzter Instanz an Julius Falkenhayn wenden, einen jungen Mann der Berliner Society mit großem Führungsgeschick, der mit seiner liberalen Denkweise nicht nur bei Vater Kuhlmann schnell aneckt.

Mich begeistert die Leichtigkeit des Romans, die Authentizität der Charaktere, die dem Leser Seite um Seite ans Herz wachsen. Elisabeth ist die überschäumende Hauptprotagonistin, die der Leser durch ihre Jugend begleitet und sie an den Herausforderungen Zeit wachsen zu sehen ist eine sehr nahbare, emotionale Reise durchs Leben, geprägt von feministischen Zügen. Michaela Grünig thematisiert zudem sehr aktuelle Themen, lässt sie zwischen den Zeilen einfließen, sodass diese über die beschriebene Epoche hinausreichen. Die detailreiche Sprache gepaart mit dem leichten Lesefluss katapultiert den Roman in die Riege der lesenswerten Sonntagsschmöker. Der einzige Minuspunkt für mich ist die Dynamik des zweiten Teils, die Geschwindigkeit der Ereignisse, die mich persönlich etwas überrollt hat. Eine klare Empfehlung für alle Liebhaber von gut geschriebenen, historischen Geschichten, die einem einen wohligen Schauer bescheren, dabei aber auch sanft aufklären über das Zeitgeschehen, die einen den Moment im Hier und Jetzt vergessen lassen, deren Worte sich schnell visualisieren und für Fans von Hotellerie und auch Gastronomie, eingebunden in einen Romankontext.