Rezension

Erika-Schwester Martha

Die Hafenschwester - Melanie Metzenthin

Die Hafenschwester
von Melanie Metzenthin

Bewertet mit 5 Sternen

1892-97 Hamburg. Das ärmliche Gängeviertel in Hamburg ist die Heimat der 14-jährigen Martha. Als ihre Mutter und Schwester Anna an der Cholera sterben und ihr Vater sich dem Alkohol zuwendet, muss sie fortan für den Lebensunterhalt der restlichen Familie sorgen und arbeitet erst als Krankenwärterin, um dann eine Ausbildung als Erika-Krankenschwester im Eppendorfer Krankenhaus zu beginnen. Martha ist fleißig und arbeitet hart, entgegen aller Widrigkeiten, die ihren Weg kreuzen, kämpft sie sich nach oben und wird sogar zur OP-Schwester, wobei sich einige wichtige Personen für sie verwenden, die ihre Fähigkeiten erkannt haben. Marthas Freundin Milli hingegen ist der Grausamkeit des eigenen Vaters ausgesetzt und muss sich als Prostituierte verdingen. Tagaus tagein hofft Milli, ihrem Vater zu entkommen und ein neues Leben in Amerika zu beginnen. Doch bis Träume sich erfüllen, ist es ein langer Weg voller Stolperfallen…

Melanie Metzenthin hat mit „Die Hafenschwester – Als wir zu träumen wagten“ einen wunderbaren Auftakt für ihre historische Hafenschwester-Serie vorgelegt, der keine Wünsche offen lässt. Der Schreibstil ist flüssig, atmosphärisch-dicht und gefühlvoll, mit den ersten Zeilen darf der Leser ins Hamburg des 19. Jahrhunderts eintauchen und das Los der Stadt zur damaligen Zeit miterleben, während er sowohl das Schicksal von Martha und Milli mitverfolgt. Aufgrund sehr guter und akribischer Recherche gewährt die Autorin dem Leser nicht nur einen sehr guten Einblick in die Gesellschaftsstrukturen und politischen Verhältnisse, sondern lässt ihn auch die Auswüchse der Choleraepidemie erleben, den Arbeiterstreik im Hafen, den Kampf der Krankenschwestern und Ärzte um das Leben der Kranken sowie die Anfänge der Frauenrechtsbewegung. Die Autorin spielt während der Handlung mit dem gesamten Gefühlsbarometer des Lesers, denn ihre Geschichte ist voller Emotionen und ebenso bildhaft, so dass man sich mitten im Geschehen wähnt. Eine unterschwellige Spannung durchzieht die gesamte Handlung und lässt den Leser regelrecht an den Seiten kleben.

Die  Charaktere sind wunderbar gezeichnet und in Szene gesetzt. Jeder von ihnen besitzt individuelle Ecken und Kanten, die sie glaubhaft und authentisch wirken lassen, was es dem Leser sehr leicht macht, sich ihnen nahe zu fühlen, mit ihnen zu hoffen und zu bangen. Martha ist eine außergewöhnliche Protagonistin, denn sie strahlt nicht nur Optimismus, Mut und Stärke aus, sondern besitzt auch Herz, Mitgefühl und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Auch Hartnäckigkeit ist eine ihrer herausragenden Eigenschaften, die ihr neben Fleiß oftmals zugutekommt. Milli ist eine geschundene Seele, die sich gegen ihren grausamen Vater nicht zu wehren weiß. Sie wirkt oft verzweifelt und nur mit Marthas Hilfe erlangt sie die Kraft, sich durchzukämpfen, denn ihre Freundin lässt sie nie im Stich. Marthas Bruder Heinrich ist ein lieber Kerl, der ein besonders gutes Verhältnis zu seiner Schwester hat und immer zu ihr steht. Dr. Schlüter ist ein wichtiger Unterstützer für Martha, während Auguste ihre größte Widersacherin ist. Aber auch Susanne, Carola und Ingenieur Studt ergänzen die Handlung und machen sie rundum sehr gelungen.

„Die Hafenschwester – Als wir zu träumen wagten“ ist ein wunderbarer und gefühlvoller Roman vor historisch belegtem Hintergrund, der Fiktion und Wahrheit auf sehr schöne Weise miteinander vermischt und den Leser von der ersten Seite an zu fesseln weiß. Absolute Leseempfehlung für ein echtes Lesehighlight! Chapeau – alles richtig gemacht!