Rezension

Erinnerung an eine vergessene Schauspielerin

Die Königin von Berlin - Charlotte Roth

Die Königin von Berlin
von Charlotte Roth

Bewertet mit 3 Sternen

Ich liebe die Bücher von Charlotte Roth, in denen sie deutsche Geschichte in spannende Romanhandlungen verpackt. Mir war bewusst, dass „Die Königin von Berlin“ anders sein wird, da es auf realen Personen basiert, trotzdem griff ich mit ziemlich hohen Erwarten zu.

Der Einstieg fiel mir zunächst einmal leicht. Die ersten 20 bis 30 Seiten fesselten mich und ich freute mich, wieder ein Charlotte Roth Buch in den Händen zu halten. Aber je länger ich las, desto weniger Zugang fand ich zur Handlung. Karoline läuft von zu Hause weg um Schauspielerin zu werden. Sie nennt sich nun Carola und der Weg zum Erfolg ist von Steinen gesäumt. Hinzu kommt die angespannte politische Lage in den 1920er Jahren. Verpackt wurde Carolas Geschichte als Rückblick. 1979 lebt Annette ein langweiliges Leben, als ein Mann in die Bibliothek kommt und nach Buchmaterial über Carola Neher fragt. Obwohl diese Erzählweise ein gängiges Instrument ist, war es mir hier in diesem Fall zu gestelzt. Dieser Teil ist zum Glück eine Randhandlung und umfasst vielleicht 50 Seiten denn eigentlich geht es ja um Carola.

Was mir gut gefallen hat, war die Beschreibung der Situation in Deutschland. Es war interessant zu lesen, wie diese irrwitzige Inflation ein normales Leben unmöglich machte.

Ich hatte die Erwartung, dass mir dieser Roman Bertolt Brecht und andere Literaten dieser Zeit näher bringen würde. Dem war nicht wirklich so. Alle Hauptfiguren sind unsympathisch und auch etwas blass dargestellt. Die Dialoge sind so gestelzt, dass es mir schwer fiel, richtig in die Geschichte hineinzukommen. Insbesondere dem Gesäusel von Klabund konnte ich nichts abgewinnen. Dadurch, dass Klabund und Carola die Angewohnheit hatten, in ihren Unterhaltungen in der dritten Person von sich selbst zu sprechen, empfand ich diese Liebesbeziehung nicht romantisch sondern eher affig. Während ich im Mittelteil schon davon überzeugt war, dass ich hier nur zwei Sterne vergeben kann, wird das Buch zum Ende hin doch wieder etwas besser und bereitete mir mehr Freude beim Lesen.

Mein persönliches Highlight war die Entstehung der „Dreigroschenoper“. Hier habe ich das Gefühl, dass dieser Teil ein wenig meine Allgemeinbildung erweitert hat. Fast hoffe ich, dass mich demnächst jemand fragt, woher der „Barbarasong“ seinen Namen hat, damit ich mit diesem Wissen punkten kann.

Wenn ich über Personen lese, die tatsächlich existiert haben, dann schaue ich mir auch Bilder dieser Menschen im Internet an und lese, was es auf Wikipedia zu finden gibt. Auch konnte ich auf YouTube ein Video von Carola als Polly finden. Von daher kann ich auf jeden Fall sagen, dass ich aus dem Roman etwas lernen konnte. Gleichzeitig führte meine Internetrecherche dazu, dass mich das Ende des Buches enttäuscht hat. „Die Königin von Berlin“ umfasst eine relativ kurze Zeitspanne und überwiegend geht es um Carolas Anfänge, ihren Durchbruch und ihre Ehe mit Klabund. Ihre Auswanderung, ihre Verhaftung und ihre Zeit im Arbeitslager werden in zwei, drei Seiten abgehandelt, was ich sehr schade finde. Ich fühle mich um Tiefgang betrogen, der hätte sein können, aber ausblieb. Das Buch war gleichermaßen zu kurz als auch zu lang. Auf die Passagen aus Brechts Sicht hätte ich gut und gerne verzichten können. Dafür hätte ich Carola gerne länger begleitet. „Die Königin von Berlin“ unterscheidet sich stark von den Charlotte Roth Büchern, die ich bereits gelesen habe. Auch wenn der Erzählstil zum Ende hin in jedem Fall lebendiger und auch fesselnder wurde, kann ich in der Gesamtbewertung trotzdem nur 3 Sterne geben. Schade.