Rezension

Fünf Frauen gestalten ihr Leben in der Nachkriegszeit

Bühlerhöhe - Brigitte Glaser

Bühlerhöhe
von Brigitte Glaser

Bewertet mit 3 Sternen

Fünf Frauen, drei Kriegserlebnisse, fünf Verarbeitungswege und ein geplantes Attentat auf Kanzler Adenauer im idyllischen Schwarzwald.

Rosa Silbermann, ihre ältere Schwester Rachel, Sophie Reisacher, Agnes vom Klotzberg und ihre ältere Schwester Walburg - der Zweite Weltkrieg hat auf unterschiedliche Art und Weise neben vielem mehr ihre persönlichen Welten zerstört. Von der Familie Silbermann haben nur Rosa und Rachel, Deutsch-Jüdinnen aus Köln, das Konzentrationslager überlebt. Während Rosa in Israel in einem Kibbuz lebt und gelernt hat, sich und ihre neue Heimat zu verteidigen, ist Rachel in die Anonymität und Betriebsamkeit Tangers geflüchtet. Sophie, ehrgeizig und berechnend, hat einen deutschen Offizier geheiratet und das Elsass verlassen. Nun vermisst sie die französische Heimat, würde Deutschland und ihre Anstellung als Hausdame im Hotel Bühlerhöhe gerne hinter sich lassen. Kann der schweizer Geschäftsmann Pfister sie mittels Heirat befreien und in ein besseres Leben führen? Agnes und Walburg wurden von marokkanischen Soldaten vergewaltigt, was Walburg in den Wald getrieben hat, wo sie als Einsiedlerin lebt und sich selbst versorgt. Agnes dagegen hat ihr schlaues Köpfchen entdeckt und arbeitet als Bürohilfe im Hotel Hundseck nahe der Bühlerhöhe. Vier der fünf Frauen treffen im Sommer 1952 im Schwarzwald aufeinander, wo Kanzler Adenauer wieder seinen Sommerurlaub im Hotel Bühlerhöhe verbringen wird. Die Verhandlungen über die Wiedergutmachungszahlungen stehen bevor, ebenso wird die Wiederaufrüstung Deutschlands diskutiert. So zieht es auch Attentäter, Agenten, Lobbyisten und Geschäftemacher ins Idyll. Rosa wird vom Mossad geschickt, um gemeinsam mit einem israelitischen Agenten einen Anschlag auf Konrad Adenauer zu verhindern. Doch ihr vermeintlicher Ehemann taucht nicht auf, so dass Rosa allein ermitteln muss. Und das in einem Jahrzehnt, in dem Frauen nicht sonderlich ernst genommen werden. Sophie wird vom Personenschützer des Kanzlers instruiert, hält zwar beruflich die Fäden in der Hand auch wenn sie das First Class-Hotel zu hassen gelernt hat, ist aber in ihrem Ehrgeiz blind dafür, dass ihre privaten Pläne scheitern könnten. Agnes glaubt an den Leibhaftigen, als ihr im Hotel plötzlich ihr Peiniger gegenübersteht. Verzweifelt setzt sie ihre Schwester Walburg auf sie an. Als der Marokkaner tot im Wald gefunden wird, seine Leiche jedoch spurlos verschwindet, ist nicht nur der Kanzler in Gefahr.
Man braucht eine Weile, bis man in die Geschichte hineinfindet. Dazu trägt der Schreibstil bei, der neben den Gedankengängen der Frauen z.B. auch Agnes' Schwarzwälder Dialekt einfließen lässt und damit einige Konzentration erfordert. Das Frauenbild der 50er Jahre und die Wunden, die der Krieg gerissen hat, sind personenbezogen und individuell beschrieben, eindringlich und ergreifend.
Das Cover des Buchs wirkt ein wenig zu fröhlich, mehr nach Sommerurlaub denn nach Agentengeschichte. Einzig der düster gehaltene Wald macht deutlich, dass Gefahr droht.