Rezension

Gelungener Roman über die Liebe zur Schokolade und zur Familie

Die Schokoladenvilla - Maria Nikolai

Die Schokoladenvilla
von Maria Nikolai

Bewertet mit 5 Sternen

Stuttgart 1903. Der ehemalige Häftling Victor Rheinberger sucht eine Anstellung in der Bonbon- und Schokoladenfabrik Rothmann. Schnell hat dieser Idee, das Unternehmen auszubauen. Währenddessen hat die Tochter des Fabrikanten Rothmann mit ihrem Vater zu kämpfen, denn dieser will sie gegen ihren Willen verheiraten. Dabei will Judith ihr Leben doch lieber ihrer Leidenschaft – der Schokolade – widmen.

 

Mir hat dieser Roman wirklich sehr gut gefallen. Die Geschichte ist sehr gut recherchiert und wirkt authentisch. Der Schreibstil von Maria Noklai ist sehr angenehm und flüssig zu lesen. Der Roman umfasst über 600 Seiten, aber es ist ein leichtes ihn innerhalb von zwei Tagen durchzulesen. Man kann das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen. Es ist durchweg spannend und durch die sehr bildliche Sprache entsteht ein Kino im Kopf, das den Leser ins Stuttgart um 1900 versetzt und ihn nicht mehr loslässt. Die Geschichte ist in unterschiedliche Handlungsstränge aufgeteilt, so dass man nicht nur in Stuttgart unterwegs ist. Sondern auch etwas über Judiths Mutter, Hélene, die am Gardasee verweilt, erfährt. Außerdem lässt Victor seine Vergangenheit nicht los, so dass der Leser auch immer wieder nach Berlin entführt wird.

Die Charaktere haben mir sehr gut gefallen. Sie sind alle sehr unterschiedlich und wirken, wie die gesamte Geschichte, sehr authentisch und realistisch. Wilhelm Rothmann ist der Patriarch, wie zu dieser Zeit üblich hat er das Sagen und alle unterstehen ihm. Doch seine Frau, wie auch seine Tochter, haben ihren eigenen Kopf und wollen diesen auch durchsetzen. Dies fasziniert den Leser. Vor allem Judith war mir sehr sympathisch. Sie ist 21 Jahre alt und weiß was sie will. Sie liebt die Schokolade und experimentiert selbst gerne damit rum. Dabei beweist sie Köpfchen und wirkt für die Zeit um 1900 schon sehr aufgeklärt! Für den gewissen Pepp in der Geschichte sorgen sicherlich Judith achtjährige Zwillingsbrüder, Karl und Anton, die immer für einen Streich zu haben sind! Sehr gefallen hat mir, dass nicht nur über die „Herrschaften“ berichtet wird, sondern dass auch die Angestellten/Bediensteten einen Platz in der Geschichte finden und der Leser so sehr viel über ihr Leben erfährt, was meist ja eher im Hintergrund bleibt. Hier sticht vor allem Robert heraus, der dringend etwas an den Bedingungen der Bediensteten ändern möchte.

Sehr schön fand ich auch, dass am Ende noch ein Personenverzeichnis inklusive Hinweise auf reale Personen und ein Überblick über den historischen Hintergrund abgedruckt ist.

Für mich war dieser Roman ein Genuss, er zergeht einem wirklich wie Schokolade auf der Zunge! Ich habe ihn verschlungen und freue mich schon sehr, wie es weitergeht! Das ist wohl auch das einzige Manko: nun heißt es warten auf den zweiten Band. Ich kann diesen Roman wirklich jedem empfehlen, der gerne ins Stuttgart zu Beginn des 20.Jahrhunderts entfliehen möchte und vergebe volle fünf von fünf Sternen – mehr geht ja leider nicht. Ein persönliches Schmankerl ist natürlich, wenn man sich in Stuttgart auskennt und so die Handlungsort vor sich sieht!