Rezension

Grauenvoll, intensiv, bösartig, hoffnungslos - also menschlich

Die unterirdische Sonne
von Friedrich Ani

Bewertet mit 5 Sternen

Ich habe selten ein Buch gelesen, dass mich in seiner grausamen, menschlichen Bösartigkeit so berührt hat. Es geht um fünf Kinder und Jugendliche - immer um fünf, die zusammen in einem Verlies stecken, auch wenn es insgesamt sechs sind -, die seit teilweise über einem Jahr lang gefangengehalten werden. Sie müssen auf engstem Raum miteinander klarkommen, und die einzige "Abwechslung", die sie haben, ist, wenn sie von Erwachsenen "nach oben" geholt werden. "Oben" - das ist die Hölle. Was auch immer da oben mit ihnen geschieht, das dürfen sie nicht sagen, denn dann werden sie sterben. Man hat es ihnen so gesagt, und sie glauben es - und sie haben auch allen Grund, das zu glauben. Die unaussprechlichen Dinge, die ihnen oben angetan werden: Selbst, wenn sie dürften, wollten sie nicht drüber sprechen. Zu tief sitzt in ihnen die Scham, die Angst, der Ekel, der Selbsthass und die Selbstvorwürfe, die Zweifel, die Hoffnungslosigkeit. Die Schmerzen, die physischen als auch die psychischen, machen sie kaputt. Jeder von ihnen versucht anders, mit dem grauenhaft Erlebten umzugehen. Sie ziehen sich in ihren Kopf zurück, erzählen sich Geschichten, träumen sich an andere Orte, tun alles, um sich wegzudenken, wegzuwünschen, zu entfliehen.

Was für ein gnadenloses Buch! Übelkeiterregend, obwohl nicht ein einziges Mal direkt etwas angesprochen wird, aber meine Güte! Wem nicht allein bei den Andeutungen ein Schauer über den Rücken rinnt, dem geht es wohl so wie Conrad, einem der Jugendlichen, der eine Weile glaubte, bereits tot zu sein. Wem nicht bei den kaum angerissenen Beschreibungen schlecht wurde, muss schon so abgestumpft sein, dass es ihn wohl auch nicht berührt hätte, wäre jede einzelne schreckliche Tat in allen Einzelheiten beschrieben worden. Entsetzlicher wird das Ganze meiner Meinung noch dadurch, dass alles in einem fast sachlichem Stil erzählt wird, und doch habe ich bei der Art und Weise, wie diese Kids mit der Situation umgingen, mehr als einmal die Luft angehalten und überlegt, einfach das Buch zur Seite zu legen. Hier verknotet sich beim Lesen der Magen und das Grauen nimmt Gestalt an.

Fazit: Nichts für Hartgesottene ohne Feinfühligkeit und nichts für Weichherzige ohne innere Stärke.